Grappa und die keusche Braut
festgestellt worden. Was also wollen Sie noch ermitteln, Brinkhoff?«
»Das weiß ich erst, wenn ich es gefunden habe, Herr Kollege.«
Oh, dachte ich, gleich knallt es zwischen den beiden. Ich leerte mein Weinglas.
»Brinkhoff ermittelt doch nicht«, mischte ich mich ein. »Er hält nur Augen und Ohren offen. Das kann in keinem Fall schaden. Mich würde zudem brennend interessieren, wie die Karriereschmiede Waldenstein, die sich dem Leistungsprinzip verschrieben hat, ein so verstörtes Wesen wie Patrick Sello hervorbringen konnte. Das pädagogische Konzept dieser Schule scheint nicht zu funktionieren.«
»Ich möchte nur festhalten, dass Sie nicht im Auftrag der Behörde tätig sind«, erklärte Kleist reserviert. »Und die Sache mit dem falschen Namen kann ich nun gar nicht billigen.«
»Musst du ja auch nicht. Brinkhoff ist mein spezieller Undercoveragent. Wenn’s schiefgeht, übernimmt das Tageblatt die Verantwortung.«
Es war wagemutig von mir, so was zu behaupten, aber ich wollte keinen Streit zwischen den beiden Männern.
»Dann ist ja alles bestens«, meinte Kleist. »Gilt dein Angebot auf einen Übernachtungsplatz noch, Maria? Ich muss unbedingt Schlaf nachholen.«
»Ja, natürlich. Du kennst dich ja aus. Träum was Schönes.«
Er drückte mir einen Kuss auf die Wange, nickte in Brinkhoffs Richtung und ließ uns allein.
Krank im Inselurlaub
Jansen hatte es nicht verlernt. Sein Artikel über Bierstadts Kämmerin Liane Muthmann war wunderbar süffisant. Ich saß mit der Zeitung in der Küche beim ersten Kaffee und kicherte. Kleist schlief noch.
Krank im Urlaub? – Kämmerin mit Hund und Freundin auf Amrum aufgetaucht – so die Überschrift.
Was ist das denn? Bierstadts Noch-Kämmerin Dr. Liane Muthmann (58) wurde in ausgelassener Gesellschaft auf der Nordseeinsel Amrum gesichtet (siehe Fotos). Eigentlich nichts Besonderes, wenn sich Muthmann nicht bei der Stadt, ihrem Arbeitgeber, krankgemeldet hätte.
Muthmann also krank auf Amrum? Eher nicht! Muthmann hält sich weder in einem Sanatorium noch in einer anderen Art Klinik auf. Sie hat mit ihrer Lebensgefährtin und Hund Mobby eine Ferienwohnung bezogen. Besonderer Luxus: Die Ferienwohnung gehört zu einer Pension, sodass fürs leibliche Wohl immer gesorgt ist.
Vielleicht will sich Muthmann nach ihrer Freistellung durch den Finanzausschuss vom ganzen Stress um den Haushaltsskandal einfach nur erholen? Auch das wäre ungewöhnlich. Doch dann hätte sie sich nicht krankmelden dürfen. Jeder andere Arbeitnehmer nimmt Urlaub, wenn er sich erholen will. Nicht aber die Kämmerin der Stadt Bierstadt. Dabei wird sie künftig einen sehr langen Urlaub genießen können. Ihre Abwahl ist beschlossen und ihre Bezüge laufen weiter. Bis zum Ende ihres Vertrages kostet sie die finanzschwache Gemeinde rund 240.000 Euro!
Die Kämmerin hatte noch vier Tage vor der Kommunalwahl behauptet, es gebe keine Probleme mit dem Haushalt, um nur einen Tag nach der Wahl eine Haushaltssperre zu verhängen. Die Wähler fühlen sich deshalb übel getäuscht und man spricht von Wahlbetrug.
Muthmann ist seit vier Jahren Kämmerin der Stadt. Sie arbeitete vorher als Dezernentin beim größten öffentlich-rechtlichen Sozialträger des Landes. Dessen Chef hat gute Beziehungen zu Bierstadt, wo er vor einigen Jahren als Sozialdezernent gewirkt hat. Böse Zungen behaupten, dass die Personalentscheidung Muthmann ein weiteres klassisches Beispiel für sozialdemokratischen Filz darstellt.
Ich grinste. Bravo, Chef! Auch die Fotos kamen gut rüber. Frau Muthmann – sonst auf Pressefotos immer nur in bravem Kostüm oder langweiligem Hosenanzug zu sehen – in fescher Windjacke und mit zerzaustem Haar.
Bulldog Mobby zerrte an der Leine. Das Gesicht des Tieres hätte einen Panzer erschrecken können. Es war eingedrückt, die hervorstehenden Augen sahen sich gegenseitig an und das Maul war zu klein für die riesige Zunge, die zwischen den Lippen hervorragte. Es sah ziemlich unanständig aus. Die Freundin der Noch-Kämmerin war schmächtig und lockenköpfig. Keine Frage, wer in dieser Beziehung den männlichen Part übernahm.
Der männliche Part in meinem Haus betrat soeben die Küche.
»Gut geschlafen?«, fragte ich.
»Ja, wunderbar!« Kleist hatte zwar noch die Abdrücke der Knitterfalten des Kopfkissens im Gesicht. Aber er wirkte ausgeruht und entspannt. »Es ist so still hier. Keine Straßengeräusche, kein Geschrei, keine Maschinen.«
»Ja. Das stimmt.
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