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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Wenn man davon absieht, dass die Bahn nur fünfhundert Meter entfernt vorbeirattert und das Haus in der Einflugschneise des Flughafens steht«, meinte ich trocken. »Willst du ein Frühstücksei?«

    »Nein danke. Ich brauche nur einen starken Kaffee.« Kleist blickte auf die Reste des Abendessens. »Habt ihr gestern noch weitere Streiche ausgeheckt? Ihr kamt mir vor wie zwei Dreizehnjährige auf dem Abenteuerspielplatz.«

    »Ich finde Brinkhoffs Idee gut«, verteidigte ich Anton. »Er genießt es, sich nicht mehr an eure Vorschriften halten zu müssen. Ich freu mich für ihn.«

     
    In der Redaktion gab es zunächst nur eine neue Nachricht: Jansen hatte Margarete Wurbel-Simonis den Bildungsurlaub nun doch genehmigt. Das war typisch für meinen langjährigen Chef. Er konnte seine Entscheidungen rückgängig machen, ohne dass er das Gesicht verlor oder von anderen der Führungsschwäche bezichtigt wurde. Er hatte es nicht nötig, durch dickköpfige Stärke zu punkten. Vielleicht war diese Souveränität auch das Geheimnis unserer ungebrochen harmonischen Beziehung, in der ich der anstrengendere Teil war.

    Am späten Nachmittag faxte das Presseamt die Reden, die auf der Trauerfeier gehalten werden sollten.

    Die Rede der Schülerin Caroline von Fuchs interessierte mich am meisten. Doch die war nicht dabei. An diese Schulsprecherin war einfach kein Herankommen. Noch nicht mal über ihren Beitrag zur Trauerfeier …

    Ich rief den Presseamtsleiter an. »Die Rede ist nicht fertig, sie wird erst am Samstagmorgen verteilt«, erklärte er. »So hat es mir der Direktor von Schloss Waldenstein mitgeteilt. Es ist ja auch schwer für eine junge Frau, nach so einem Vorfall die richtigen Worte zu finden.«
    Ich las die Reden des Bundespräsidenten und der beiden Bischöfe. Der Erste Mann im Staat hatte einen Text verfassen lassen, der keine vorgestanzten Antworten beinhaltete, sondern Fragen stellte, wie sie auch Patrick Sello in seinem Abschiedsvideo ausgesprochen hatte. Nur dass die Schlüsse, die der achtzehnjährige Sello und der sechsundsechzigjährige Bundespräsident aus den Fragen zogen, völlig unterschiedlich waren.

    Die beiden Bischöfe klammerten sich an die Sprüche der Heiligen Schrift. Andererseits – was hätten sie anderes tun sollen? Keiner der offiziellen Redner hatte einen der Toten oder den Täter persönlich gekannt.

    Eine Stunde später schockte mich eine Agenturmeldung. In der Nachbarstadt hatte ein Schüler seine Lehrerin erstochen. Häuften sich solche Taten oder nahm ich solche Nachrichten nur bewusster wahr?

     
    Aus verschmähter Liebe hat ein junger Mann seine Lehrerin erstochen. Mehr als zwanzig Mal stach der Täter auf die 35-jährige Chemielehrerin ein. Der 21-Jährige habe sein Opfer bereits monatelang beobachtet, weil er für sie »massiv schwärmte« und eine Liebesbeziehung wollte.

    Rückblende: Vor zwei Jahren kommt die Pädagogin als Referendarin an die Schule. »Da hat er sich in sie verguckt«, berichtet der Oberstaatsanwalt. »Das war mehr als nur eine normale Schwärmerei. Doch es handelte sich um eine einseitige Beziehung.« Die Lehrerin habe sich immer korrekt verhalten.

    Der Täter spionierte sie aus, studierte ihre Gewohnheiten. Die Frau merkte davon nichts. Gestern befestigte ihr Verfolger schließlich vor der Schule einen Peilsender am Auto der Lehrerin. Vor ihrem Haus griff der Verliebte die Frau dann an. Die 35-Jährige aber setzte sich zur Wehr, schrie um Hilfe. Daraufhin stach der junge Mann wieder und wieder auf sie ein. Die Lehrerin trug so schwere Verletzungen am Hals davon, dass sie noch am Tatort verstarb.

     
    Die Agenturen boten Fotos zu dem Mord an. Sie ähnelten denen vom Amoklauf auf Schloss Waldenstein: Kerzen, Blumen, Plakate mit den Worten Warum?, und: Wir vergessen Dich nie – aufgestellt und abgelegt an dem Ort, an dem sich das Drama abgespielt hatte.

    Simon Harras platzte in mein Büro. »Ich kann Jansen nicht finden«, stammelte er.

    »Wie meinst du das?«, fragte ich.

    »Hier!« Er reichte mir ein Fax. Es trug das Logo des Bierstädter Polizeipräsidiums. »Das ist doch seine Geschichte. Wo ist er denn bloß?«

    »Wahrscheinlich ein Schnittchentermin«, sagte ich abwesend – bereits vertieft in den Text.

    » Tötungsdelikt zum Nachteil einer Bierstädter Bürgerin  … «, murmelte ich. »Das kann doch nicht wahr sein!«

    Bierstadts in Ungnade gefallene Kämmerin war tot! Man hatte ihre Leiche in der Ferienwohnung auf Amrum

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