Grappa Und Die Seelenfaenger
durchdiskutiert.
»Hast du ihren Pullover gesehen?«, tuschelte Sarah. »Viel zu warm für die Jahreszeit. Außerdem sieht er aus wie eine Pferdedecke.«
Stella lachte. »Und sie lispelt.«
Susi wollte nicht abseitsstehen und teilte den anderen mit, dass Babette Keucher-Blum trotz ihres Doppelnamens unverheiratet sei und allein lebe.
»Kein Wunder«, entfuhr es Sarah. »So, wie die sich gibt. Wer will denn schon so ein Teil?«
»Aber ihr seid doch auch unverheiratet und lebt allein«, mischte ich mich ein. »Oder bin ich nicht mehr auf dem Laufenden?«
Die drei Grazien bewarfen mich mit bösen Blicken.
»Die bekommt mehr Geld als wir«, machte Stella weiter. »Sie ist eine ganze Gehaltsgruppe über uns – als gehobene Sachbearbeiterin. Fragt sich nur, was die besser kann als wir.«
Wahrscheinlich alles, dachte ich und sagte: »Das wird sie euch bestimmt noch zeigen. Und jetzt hört auf mit der Hetzerei.«
»Hetzerei?« Sarah war empört.
»Neudeutsch heißt das Mobbing.« Simon Harras war zu uns getreten. »Und Mädels können das ganz besonders gut. Nicht, dass ich damit Erfahrung hätte. Mich lieben ja alle hier. Besonders du, Grappa-Baby.«
Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und ich kraulte ihm kurz das schüttere Haar.
»Danke, Grappa«, schnurrte er. »Wer war eigentlich der Typ, der dich grad angesprochen hat? Ich hab euch vom Fenster aus gesehen.«
»Der Typ macht die schmutzige Arbeit für diese Erleuchteten. Er hat versucht, mich über die Autobahn zu jagen. Ich habe Anzeige erstattet. Und jetzt will sich sein Oberguru bei mir entschuldigen.«
»Gut so. Brauchst du Hilfe?«
Ich war gerührt. »Du bist ja süß. Aber der Kerl tut mir nichts mehr.«
Ich verzog mich in meine Einzelzelle, sah meine Mails durch, aber es war nichts Besonderes dabei – nur die Akkreditierung, die mich berechtigte, an der Castingshow als Pressevertreterin teilzunehmen.
Ich legte die Visitenkarte mit der Telefonnummer des Sektenchefs auf meinen Schreibtisch. Schmoren lassen, dachte ich.
In fünf Minuten war Konferenzzeit. Ich trabte wieder in den Großraum. Pöppelbaum und Harras lasen Zeitung. Der Hausmeister räumte Müll weg. Die Sekretärinnen waren noch immer in Form, hatten aber ein neues Thema.
»Demi Moore macht das auch«, wusste Susi. »Allein ihre Gesichtsbehandlung kostet pro Woche 2.200 Euro. Hab ich in der Blöd gelesen. Hier.«
Sie griff nach dem Hetzblatt und las vor: » Bei dem Verfahren werden die tieferen Hautschichten erwärmt, während die Hautoberfläche gekühlt wird. Dadurch wird die Kollagen-Produktion stimuliert. Ob das wohl wirklich hilft?«
»Das kriegt ihr preiswerter«, meinte ich. »Steckt den Kopf erst in den Backofen und dann ins Gefrierfach. Dabei bleibt zudem das Hirn schön frisch.«
»Das mach uns mal vor, Grappa«, konterte Stella. »Deine Bäckerin wirft für dich den Backofen bestimmt gern an.«
Der war nicht schlecht, dachte ich, die Mädels machen Fortschritte.
Wer kann sensibel?
Dr. Berthold Schnacks Wochenende war wohl entspannend gewesen, denn er wirkte gelöst. Neben ihm saß eine Frau mittleren Alters, die er uns als Frau Keucher-Blum vorstellte. Sie war nicht unattraktiv. Schlank, gute Haut und viel braunes Haar. Kluge Augen hinter einer randlosen Brille und ein leicht dominanter Zug um den Mund. Ihre Kleidung war von schlichter Eleganz und farblich zurückhaltend. Mir war sofort klar, warum die drei aus dem Großraum so kiebig geworden waren: Sie ahnten, dass sie Keucher-Blum nicht das Wasser reichen konnten. Der Ärger war vorprogrammiert und ich war froh, dass das Scharmützel nicht nur zwischen mir und Schnack stattfinden würde.
Er verteilte die Arbeit, dann berichtete ich von meinem Vorhaben, die Familie Aslan aufzusuchen.
»Erst mal ein Vorgespräch«, sagte ich. »Die Familienkonstellation scheint schwierig zu sein.«
»Gute Idee, Frau Grappa«, lobte Schnack. »Eine Protagonistin mit Migrationshintergrund ist immer sympathisch. Wir arbeiten gern integrativ.«
»Zu diesem Sing-Blödsinn gehen sowieso nur die Verlierer, und das sind doch meist die Türken«, meinte Margarete Wurbel-Simonis. »Erst eben kam über die Agentur ein Bericht zur neuen PISA-Studie. Die Migranten lassen das Bildungsniveau so schlecht aussehen, nicht die deutschen Schüler.«
»Könnten wir bitte beim Thema bleiben?«, fuhr ihr Schnack über den Mund. »Ich finde solche Wortmeldungen unangebracht. Wir müssen mit der Gesellschaft klarkommen, in der wir leben. Was
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