Grappa Und Die Seelenfaenger
Faszination dieser selbst ernannten Kirche ausmachte, erschloss sich mir einfach nicht. Wo war das Wohlfühlmoment, das immer neue Menschen in die Fänge dieser Sekte lockte?
In einem Forum, das ein Verbot der Kirche der Erleuchteten diskutierte, schrieb ein junger Mann:
Ich bin glücklich mit der Kirche der Erleuchteten. Sie ist kein Wirtschaftsunternehmen, sondern meine Religion. Ich glaube an unsere Erleuchtung und stehe dazu. Das muss respektiert werden! Ich bin auch nicht labil gewesen, als ich zu dieser Kirche gekommen bin, sondern wusste, was ich tat. In der Kirche der Erleuchteten gibt es wirklich etwas, was wenige Religionen haben: Gemeinschaft. Für mich ist meine Kirche toll.
Das klang ehrlich. Viele Christen waren von ihrem Glauben ebenso überzeugt. Im alten Rom waren sie bereit gewesen, für ihn zu sterben. Und heute sprengten sich islamistische Selbstmordattentäter in die Luft, um Allah zu gefallen. Die Erleuchteten wollten lediglich an die Geldbeutel. Für sich gesehen war das zwar übel, aber weniger verwerflich.
Am Abend rief Arnold Weber erneut an. Monika hatte sich bei ihm gemeldet.
»Bettina hat sie nach Florida gebracht. Da haben diese Verbrecher angeblich eine Trainingszentrale. Ich denke aber, es handelt sich um ein Straflager mit Gehirnwäsche. Was soll ich jetzt tun?«
Ich konnte Weber nicht helfen. Monika war eine erwachsene Frau und durfte sich aufhalten, wo sie wollte. Ich wies ihn auf Selbsthilfegruppen von Aussteigern aus der Kirche der Erleuchteten und auf den Sektenbeauftragten der Landesregierung hin.
Eine unverhoffte Einladung
Eine neue Woche. Anneliese Schmitz hatte das türkische Mädchen aus ihrem Haus gefragt, ob sie sich bei ihrem Casting von einer Reporterin begleiten lassen würde. Birsen Aslan hatte zugestimmt.
»Das Mädel glaubt schon jetzt, dass se ’n Superstar ist«, erzählte die Bäckerin. »Ihr Vatta dreht echt am Rad, der arme Kerl.«
»Will er nicht, dass seine Tochter bei Brett singt?«
»Türke eben. Die halten doch auf Ehre und so. Die Kleine malt sich an, sieht schon aus wie ein Farbkasten und denkt nur noch an die Trällerei. Hier ist die Telefonnummer von der Aslan.« Sie schob mir einen Zettel hin.
»Dann werde ich mein Glück mal versuchen.«
»Und wie isses sonst so, Frau Grappa? Kommst du mit deinem neuen Chef klar? Wer von euch wird überleben?«
Der Kaffee duftete und die Brötchen waren wie immer noch warm.
»Wer gewinnt, ist noch nicht raus«, entgegnete ich. »Jedenfalls ist er kein Peter Jansen. Und er hat sich einen Goldjungen mitgebracht, den er groß rausbringen will. Auf meine Kosten.«
»Goldjunge?«
»Ein hübsches Bengelchen«, erklärte ich. »Der Chef nennt ihn Bärchen.«
»Ist er etwa vom anderen Ufer?«
»Könnte sein. Aber das wäre ja kein Grund, nicht mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich mag schwule Männer. Eigentlich.«
Anneliese Schmitz griente. »Du sachst das so, dass ich dir glaube.«
»Ich muss zur Arbeit, Frau Schmitz. Packst du mir noch eine Knüppelstange ein? Und vier Mandelhörnchen für alle Fälle?«
»Sicher.«
Die Bäckerin griff ins Regal und tütete das Brot ein: viel Roggen und eine schwarze Kruste. Und dann die Hörnchen mit den Schokoecken, die eigentlich wie Mondsicheln aussahen und nicht wie Hörner.
Ich zahlte, nahm die Tüten und fuhr zur Arbeit.
Vor dem Eingang des Pressehauses trat ein Mann auf mich zu. Ich traute meinen Augen nicht: Egon Hold, mein Verfolger.
»Sie wagen sich noch in meine Nähe?«, fragte ich.
»Ich soll Ihnen etwas ausrichten. Von meinem Boss.«
»Ronny Hovart?«
»Mein Boss heißt Robert Fuchs. Er möchte sich bei Ihnen entschuldigen. Und er würde gern mit Ihnen sprechen. Hier!«
Er reichte mir eine Visitenkarte: Robert Fuchs, Operierender Thetan der Kirche der Erleuchteten, daneben die Handynummer und das achtendige Emblem der Sekte.
Hold trollte sich.
Was war das denn? Der Vorturner der Sekte lud mich zu einem gepflegten Small Talk ein?
Operierender Thetan – das klang eher nach einem chirurgischen Wunderheiler. Ob Jesus wohl heutzutage auch Visitenkarten verteilen würde? Jesus – Gottessohn und Erlöser.
Ich steckte die Karte ein. Ja, ich würde anrufen. Irgendwann. Das Weiße im Auge des Feindes zu sehen, hatte mich schon immer gereizt.
Im Großraumbüro pulsierte das reale Arbeitsleben. Stella, Susi und Sarah hatten gerade die Bekanntschaft mit Babette Keucher-Blum gemacht, der neuen Chefsekretärin. Dieses Ereignis wurde nun
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