Grappa Und Die Seelenfaenger
Die Polizei hatte ihrem Vater die Todesnachricht überbracht, doch die genauen Umstände waren ihm noch nicht mitgeteilt worden. Er bat mich um Hilfe.
Ich legte auf und ging in den Konferenzraum zurück.
»Es gibt einen Todesfall«, platzte ich mit der Nachricht heraus. »Monika Weber.«
»Wer ist Monika Weber?«, fragte Schnack.
Ich erklärte es.
»Mord, Selbstmord, Unfall?«
»Sie lag in einem Wald. Weitere Fakten sind mir noch nicht bekannt. Aber ich werde mich kümmern.«
Schnack widersprach nicht, sondern nickte sogar. Die Diskussion um Bärchens Betroffenheitskoffer hatte ihn zahm gemacht. Zumindest für den Augenblick.
Als ich wieder in meiner Einzelzelle war, dachte ich nach. Monika Weber – konnte sich die Polizei so sicher sein? Monika und Bettina waren Zwillinge und sahen sich so ähnlich wie ein Ei dem anderen. Und angeblich waren sie beide in Florida, Monika hatte sogar von dort ihren Vater angerufen. Warum hätte sie ihn anlügen sollen?
Ich klingelte Kleist an. »Ich hab von der toten Frau im Wald gehört. Hast du auf dem Schirm, dass es zwei Weber-Töchter gibt? Seid ihr sicher, dass Monika die Tote ist?«
»Es spricht einfach alles dafür. Die Tote hatte Papiere dabei, die Handtasche lag neben der Leiche. Und die Frau hat lange Haare. Bettina trägt einen Kurzhaarschnitt.«
»Haare können wachsen«, widersprach ich.
»Sicher, aber nicht so schnell. Bettina trug einen Kurzhaarschnitt, als sie Monika aus der Klinik abholte. Natürlich muss der Vater die Tote noch identifizieren.«
»Wie ist sie ums Leben gekommen?«
Kleist seufzte. »Eigentlich müsste ich jetzt den Spruch mit der Pressestelle aufsagen. Ich kann dich nicht immer bevorzugen gegenüber deinen Kollegen.«
Ich legte ein dickes Paket Charme in meine Stimme und säuselte: »Klar kannst du das, aber ich will dich nicht quälen. Ich warte einfach auf die Pressemitteilung. Wann kommt die wohl?«
»Am Nachmittag. Die Obduktion findet aber erst heute Abend statt. Die Gerichtsmediziner haben Personalprobleme.«
»Willst du mir nicht wenigstens verraten, ob es nach Mord aussieht?«, bettelte ich.
»Es war vermutlich kein natürlicher Tod«, antwortete er. »Dagegen sprechen die Würgemale am Hals. Reicht das jetzt, du unendliche Nervensäge?«
»Vorläufig ja. Hast du heute Abend Zeit auf ein Glas?«
Ich bemerkte sein Zögern.
»Ich bin schon verabredet«, gestand er. »Clara ist in der Stadt. Die Kollegin von früher, du erinnerst dich?«
»Ich erinnere mich. Dann viel Spaß«, gab ich reserviert zurück. »Wir hören voneinander.« Frustriert legte ich den Hörer auf.
Post von Monika
Ein starker Kaffee brachte mein Gleichgewicht wieder in Ordnung. Eifersucht ist ein schreckliches Gefühl. Warum sollte Kleist etwas mit einer Kollegin anfangen, die wahrscheinlich wirklich einfach nur seine Hilfe beim Wiedereinstieg in den Beruf suchte? Und wenn etwas passieren sollte, dann konnte ich es sowieso nicht verhindern. Wir waren beide freie Menschen und unsere Beziehung basierte auf eben dieser Freiheit.
Kleist hatte sein Leben im Hotel inzwischen aufgegeben und war in eine kleine Wohnung in der Nähe des Präsidiums gezogen. Wirklich wohnlich war es dort nicht. Deshalb trafen wir uns fast immer in meinem Haus.
Ob er Clara Obdach angeboten hatte? Bestimmt, grummelte ich innerlich, eine alleinerziehende Mutter hat nicht das Geld für ein Hotel. Ich drängte die Bilder im Hirn zurück.
Die Arbeit würde mich ablenken. Ich vertiefte mich in das Material über die Kirche der Erleuchteten und las den Erfahrungsbericht eines Aussteigers, dem man die Trennung sehr schwer gemacht hatte. Jetzt Monika Weber, aus der Sicht der Sekte auch eine Aussteigerin – erwürgt. Wo war Bettina, ihre Schwester?
Ich rief Arnold Weber an. Er war gerade von der Identifizierung seiner Tochter zurückgekommen und ganz aufgelöst.
»Wer hat das getan?«, schluchzte er.
Ich kam mir schäbig vor, ihn ausgerechnet jetzt für meine Recherchen zu benutzen.
»Die Polizei wird das herausbekommen, glauben Sie mir!«, versuchte ich ihn zu trösten. »Was ist mit Bettina? Weiß sie schon, was passiert ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Warum war Monika hier? Ich dachte, Bettina hat sie nach Florida gebracht.«
»Vielleicht hat man Ihnen das nur erzählt, um Sie von der Suche abzuhalten«, mutmaßte ich. »Haben Sie der Polizei von der Sekte erzählt?«
»Natürlich! Monika würde noch leben, wenn diese Verbrecher nicht wären.«
»Man kann diesen Leuten eine
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