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Grappa Und Die Seelenfaenger

Titel: Grappa Und Die Seelenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Filet an, gab Zwiebeln und Gemüse dazu und löschte alles mit einem guten Schuss Bouillon ab. Es zischte gewaltig.
    Seine Hände bewegten sich ruhig und gekonnt. Ich mochte es, wie er das Kochgut durch Schwenken des Woks durcheinanderwirbelte. Bei mir landeten die Teile gern mal daneben.
    »Die hat sich übrigens heute bei mir gemeldet«, sagte Kleist.
    »Wer?«
    »Die Kollegin, die mir damals diese Schürze geschenkt hat.«
    »Aha.« Ich sah ihn prüfend an. »Was wollte sie denn?«
    »Sich ein bisschen ausweinen. Ihre Ehe ist geschieden und sie muss wieder arbeiten. Die beiden Kinder leben bei ihr. Zwei Jungen. Zwölf und fünfzehn.«
    »Verstehe. Den alten Kontakt aktivieren. Konntest du ihr Hoffnung auf einen Job machen?«
    Kleist verneinte. »Clara ist viel zu lange raus. Sie kommt die nächsten Tage mal bei mir vorbei.«
    Clara. Ein schöner Name.
    Ich nahm einen Schluck Wein.

Es ist wohl der Erfolg, der sensibel macht
    »Eine sehr schöne, sensible und emotionale Geschichte, die der junge Kollege geschrieben hat«, schwärmte ich am anderen Morgen in der Redaktionskonferenz. »So sturzbetroffen. Das Foto mit dem Teddy und den Kerzen geht ja voll auf den Solarplexus.«
    Pöppelbaum grinste.
    Bärchen Biber machte runde Augen und Schnack lächelte überrascht.
    »Ja, das sind magische Momente, die es einzufangen gilt«, stimmte mein Chef zu. »Emotionen pur. Betroffenheit und Herzblut. Man möchte weinen und in diesem Augenblick verharren. Sich ihm völlig hingeben.«
    Simon Harras und die anderen schienen nicht so überzeugt. Selbst Wurbelchen schaute leicht verstört. Bibers Artikel war nun wirklich nichts Besonderes.
    Aber Schnack legte noch nach: »Heutzutage Zeitung zu machen, das bedeutet, die Menschen an das erinnern, was sie ursprünglich einmal waren. Geistige Wesen, die sich frei und weit entfalten können.«
    Ups, dachte ich, zitiert Schnack aus einem Werbeprospekt der Sekte?
    »Jedenfalls ist der Artikel des Kollegen Biber genau das, was ich mir bei der neuen Richtung des Tageblattes vorstelle.«
    Bärchen Biber lächelte verlegen.
    »Kunststück, wenn man die richtigen Utensilien dabei hat«, mischte sich Wayne Pöppelbaum ein.
    Das Lächeln floh aus Bibers Gesicht.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Wurbel-Simonis.
    »Schauen Sie hier auf das Foto«, entgegnete Wayne und deutete auf die Zeitung, die auf dem Tisch lag. »Teddybär, Kerzen und Pappe mit dem Wort Warum? . Wir hatten alles dabei, Kollege Biber hat es platziert und ich habe es fotografiert.«
    Pause.
    Alle starrten das Foto an.
    Simon Harras kratzte sich am Kopf und meinte ironisch: »So was nennt man Eigeninitiative.«
    Wurbel-Simonis fragte fassungslos: »Also haben nicht die Kinder diese Kerzen angezündet? Und das Schild gemalt? Ist das wahr?«
    »Verarsche«, entfuhr es dem Hospitanten. »Hier lernt man aber Sachen.«
    Bärchen Biber war in seinem Stuhl zusammengeschrumpft. Hinter den sorgfältig gelegten Stirnlocken schimmerten Schweißperlen.
    »Papperlapapp.« Schnack hatte sich wieder gefangen. Er nahm das Blatt und deutete auf das Foto. »Das ist ein gutes Foto. Ein sogenanntes Symbolfoto. Es soll nicht die Realität abbilden, sondern Emotionen stimulieren. Der Teddy steht für das Kind, die Kerzen für die Trauer und das Schild für unsere Hilflosigkeit tragischen Ereignissen gegenüber. Kollege Biber hat eine zweite Ebene eingebaut, die die Gefühlswelt anspricht. So funktioniert moderner Journalismus, meine Damen und Herren!«
    »Das sind Lügen, Herr Schnack!«, krähte Wurbelchen. Ich hätte sie küssen können. »Ich werde den Vorfall dem Presserat zur Kenntnis geben.«
    »Darüber sprechen wir nach der Konferenz in meinem Zimmer, Frau Dr. Wurbel-Simonis.«
    »Aber nur im Beisein eines Betriebsrates. Ich kenne meine Rechte.«
    »Und ich werde klären, ob ich gezwungen werden kann, solche Fotos zu machen«, stand Wayne ihr bei.
    »Das kann ich bejahen«, schnarrte Schnack. »Schon mal was von Arbeitsverweigerung gehört, Herr Pöppelbaum?«
    »Schon mal was von journalistischer Ethik gehört, Herr Schnack?«, mischte ich mich ein.
    Es klopfte.
    Sarah steckte den Kopf durch die Tür.
    »Grappa, du hast dein Handy auf dem Schreibtisch liegen lassen. Es klingelt ununterbrochen. Und eben hat der Herr auch noch auf dem Festnetz angerufen. Es ist wichtig, sagt er. Und er ist sehr aufgeregt.«

Auch Zwillinge sterben allein
    Der Anrufer war Arnold Weber. Die Leiche seiner Tochter Monika war in einem Waldstück gefunden worden.

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