Grappa und die Toten vom See
meinte ich.
»Was ist, wenn dem Motte was passiert ist?«, murmelte Wayne.
»Der kann schon auf sich aufpassen«, beschwichtigte ich halbherzig.
Wir erreichten den Hauptbahnhof in Rekordzeit, doch es gab keine Spur von Motte und dem Unbekannten. Dafür war das Schließfach leer.
Ich versuchte, Motte auf dem Handy zu erreichen, hatte aber kein Glück. Noch nicht einmal die Mailbox war eingeschaltet.
Rhythmisches Schütteln
In meinem Hirn spukten die schrecklichsten Gedanken. Hatte der Unbekannte Max Motte gekidnappt, um noch mehr Geld zu erpressen? Vielleicht von dessen Vater? Hatten die beiden Männer einen Streit, in dessen Verlauf Motte getötet worden war?
In der Redaktion sichteten wir Waynes Fotos. Eigentlich hatten wir alles – außer dem Wichtigsten, und das waren Bilder von dem Unbekannten inklusive Schlüssel- und Dokumentenübergabe.
»Wir sind echte Dilettanten«, stellte ich mürrisch fest. »Soll ich jetzt eine Zeichnung mit dem Untertitel So wär’s gewesen anfertigen, oder was?«
Wayne zuckte mit den Schultern. »Guck mich nicht so an, Grappa! Ich kann nichts dafür.«
»Lass uns den Rest der Fotos anschauen«, schlug ich vor. »Vielleicht ist auf einem was drauf, was uns weiterbringt.«
»Nein, da ist nichts mehr.«
»Wieso? Da sind noch mindestens sechzig Fotos auf dem Stick.«
»Das ist privat.«
Ich nahm ihm die Maus weg, klickte weiter und traute meinen Augen nicht.
»Da ist nichts mehr?«, höhnte ich. »Hier kommen doch die wirklich relevanten Tatsachen. Rhythmisches Tittenschütteln bei der Misswahl. Sogar mit Tele. Von oben in die Bikinis. Kompliment, mein Freund! So was nenne ich vollen Einsatz.«
Der Bluthund wurde tomatenrot im Gesicht. »Hör auf, Grappa! Das war doch erst, nachdem ich Motte schon verloren hatte.«
»Und dann knipst du diese Tussen? Könnt ihr Kerle eigentlich immer nur mit dem Schniedel denken?«, schimpfte ich. »Du hast uns diese Hammerstory versaut, weil du lieber halb nackte Mäuse ablichtest, statt deinen Job zu machen!«
»Dann hast du ja jetzt einen Schuldigen gefunden«, polterte er, zog den Stick aus dem PC und erhob sich. »Du bist manchmal echt zum Kotzen, Grappa!«, rief er noch, bevor die Tür ins Schloss fiel.
Am frühen Abend hielt ich es nicht mehr aus und rief Kleist an. Ich beichtete ihm unser misslungenes Husarenstück. Wenigstens er reagierte professionell und schickte einige Beamte in die Galerie, um das riesige Gebäude, das erst um zehn Uhr abends die Pforten schloss, durchsuchen zu lassen.
»Wir haben in dem Einkaufscenter nichts Verdächtiges gefunden, was auf ein Verbrechen hindeuten könnte«, teilte er mir später mit. »In Mottes Hotel Fehlanzeige. Keine Hinweise im Schließfach. Wir sehen uns jetzt die Videoaufzeichnungen der Galerie an, aber das kann dauern. Mehr kann ich nicht tun. Motte ist weder ein Beschuldigter noch ein Verdächtiger. Er kann mit seinem Geld kaufen, was er will. Und von wem er will.«
Wirre Träume und Vorschau auf Halloween
Meine Nacht war kurz und voller Albträume. Ich sah Motte in seinem Blut liegen und dann wieder mit den Mädchen tanzen.
Nach der ersten Tasse Kaffee klingelte mein Handy: Wayne. Ich drückte ihn weg und schaltete das Telefon aus. Es war Sonntag und ich hatte die Nase voll von missglückten Verfolgungsjagden, langwierigen Begleitreportagen, halb nackten Tanzeinlagen und spitzen Fotografen.
Doch mein Vorsatz, den Vormittag nur mit mir allein zu verbringen, wurde eine halbe Stunde später durch ein heftiges Türgeläute zunichtegemacht. Ich hatte gerade eine selbst angerührte Kräutermaske im Gesicht. Der Paketbote kennt mich schon so, jeder andere ist selbst schuld, wenn er bei meinem Anblick kollabiert, dachte ich. Grimmig öffnete ich.
»Wie siehst du denn aus, Grappa?«, erschrak Wayne. »Halloween kommt doch erst noch.«
»Ich trainiere für die nächste Konferenz«, blaffte ich. »Auf der ich beichten muss, dass wir die Sensationsgeschichte des Jahres versaut haben, weil der Knipser seine Hormone nicht im Griff hatte.«
»Ist ja gut«, grinste Pöppelbaum. »Ich hab was für dich, was dich freuen wird.«
»Ach ja?«
»Schmier dir das Zeugs runter und mach dich fertig. Kochst du gerade? Es riecht hier verdammt gut nach italienischem Essen.«
»Das bin ich«, offenbarte ich. »Die Maske besteht aus Basilikum, Pfefferminz und Thymian. Willst du ein Löffelchen probieren?«
»Lass mal. Ich verzieh mich so lange in die Küche, bis du wieder wie meine Grappa aussiehst
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