Grappa und die Toten vom See
einen Kaffee reicht es«, lächelte Luisa Licht.
»Ich hatte kürzlich wieder mit Holger Bruns zu tun«, erzählte ich kurz darauf, als wir alle einen Pappbecher vor uns stehen hatten. »Er sagte mir, dass die Bundesregierung die öffentlichen Gelder für Opferberatungsstellen eingefroren hat. Sind Sie auch davon betroffen?«
»Das mit dem Einfrieren ist doch vom Tisch«, erwiderte Licht. »Trotzdem reichen die Mittel vorne und hinten nicht. Uns fehlen sechzigtausend Euro für das nächste Jahr. Wenn wir die nicht zusammenbekommen, können wir die Einrichtung schließen. Aber Holger will uns helfen.«
»Inwiefern?« Ich war hellhörig.
»Er plant eine Stiftung, aus der Projekte wie unseres finanziert werden sollen.«
»Wie kommt er denn an Geld für eine Stiftung?«, fragte Wayne. Er biss sich auf die Lippen, als er meinen erschrockenen Gesichtsausdruck sah.
»Das weiß ich nicht genau«, antwortete Luisa Licht. »Ich vermute, dass er eine Erbschaft gemacht hat. Er hat mal so was angedeutet.«
»Schön, wenn man Verwandte hat, die einem was vererben«, lächelte ich maliziös.
Große Bilder sind schnell geschrieben – so lautet eine Devise der Zeitungsjournalisten. Ich brauchte keine Stunde für den Artikel, setzte drei Fotos ein und fertig.
Es war schon fast dunkel. Auf meinem Schreibtisch lag die Plastiktüte mit Bruns’ Haaren und dem blutigen Taschentuch. Ich schloss sie in die Schublade, damit sie keiner eifrigen Putzfrau zum Opfer fielen.
Anschließend schrieb ich eine E-Mail an Kleist, in der ich ihm gestand, dass wir uns Bruns vorgeknöpft hatten.
Er rief mich umgehend an.
»Er hat sich auf dem Bild wiedererkannt?«, fragte er zweifelnd, nachdem ich ihm einen knappen Bericht gegeben hatte.
»Wir haben das Foto etwas glaubhafter gemacht«, bekannte ich. »Mit Photoshop. Da hat es geklappt.«
»Du schreckst wirklich vor nichts zurück«, seufzte Kleist. »Hoffentlich färbt dein Drang zur Illegalität nicht auf mich ab.«
»Nein, dazu bist du viel zu korrekt«, beruhigte ich ihn und kam zum Thema zurück: »Ich traue Bruns nicht. Ich habe Haare und Blut von ihm. Könntest du einen genetischen Fingerabdruck erstellen lassen?«
»Warum?«
»Er war im Besitz der gestohlenen Dokumente. Angeblich kannten Cohn und er sich aber nicht. Das kommt mir unglaubwürdig vor. Cohn hätte die Beweise für seine mühsam recherchierte Familiengeschichte doch nicht an einen Mann geschickt, den er nicht persönlich kannte. Und schon gar nicht mit der Post. Das passt nicht.«
»Und was soll eine genetischer Fingerabdruck beweisen? Mit was sollen wir ihn vergleichen?«
»Mit der Kleidung der Toten. Oder sogar mit dem Müll aus dem Wald von Pisano«, schlug ich vor.
»Dann wäre Bruns ja am Tatort gewesen!«
»Genau. Vielleicht hatte David ihn dorthin bestellt. Ich habe in seiner Wohnung einen Reiseführer vom Lago Maggiore bemerkt. Vielleicht nur ein Zufall, aber wer weiß?«
Eine Story ohne Pointe
Max Motte sorgte am nächsten Tag für eine Überraschung. Ich hatte ihn endlich ans Telefon bekommen.
»Sie schulden mir noch den Rest der Geschichte«, sagte ich. »Und den Einblick in die Dokumente.«
»Unser Deal ist hinfällig, Frau Grappa«, sagte er. »Sie haben die Polizei eingeschaltet, sie war im Hotel. Das war gegen unsere Absprache.«
»Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht!«, rechtfertigte ich mich. »Wenn Sie sich gleich bei mir gemeldet hätten, wäre das nicht passiert.«
»Wie denn? Ich bin mit dem Mann zum Bahnhof zu den Schließfächern gefahren und wir haben das Geschäft abgewickelt. Das dauerte eben seine Zeit.«
»Sie haben das Geschäft abgewickelt, wie es geplant war?« Ich traute meinen Ohren nicht.
»Ja, was glauben Sie denn? Eine Million für diese verdammten Dokumente.«
Ich schluckte. Fast hätte ich ihm Bruns’ Version der Ereignisse an den Kopf geworfen, aber ich beherrschte mich.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte ich. »Wann starten Sie Ihre Aufklärungs- und Wiedergutmachungsaktion?«
»Ich übereigne die Unterlagen dem NS-Archiv«, sagte Motte. »Vermutlich wird es dann irgendwann eine Dokumentation geben, in der das Leben des Massenmörders Theodor Steiger beleuchtet wird, der nach dem Krieg eine neue Identität angenommen und es zum millionenschweren Unternehmer gebracht hat. Vielleicht werde ich diese Studie sogar finanzieren. Die Million, die ich gezahlt habe, setze ich von der Steuer ab. Im Übrigen wird die Firma Motte verkauft. Ich sage es Ihnen ganz offen:
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