jede Menge Spams. Eine der Nachrichten hatte keinen Betreff und stammte von hans.
[email protected]. Ich kannte niemanden mit diesem Namen, öffnete die Mail aber trotzdem. Sie enthielt keine Anrede und keine Visitenkarte. Im Textfeld war nur Zur Kenntnis zu lesen. Doch im Anhang entdeckte ich viele Bilddateien. Ich klickte ein paar an.
Zunächst war ich verwirrt. Dann dämmerte mir, was darauf zu sehen war: Menschen, die feierten, miteinander vögelten und Drogen nahmen.
Die Bilder waren nicht von guter Qualität. Das sind die Handyfotos von Jessica Brühl, vermutete ich. Doch wer hatte sie mir geschickt und warum? Wer war Hans Meier?
Jansen schaute zur Tür herein. Ich rief ihn an den Rechner: »Guck dir das mal an!«
Kurz darauf pfiff er durch die Zähne. »Grappa! Das ist der Hammer! Die Drogenpartys im Rathaus! Es gibt sie also wirklich! Erkennst du jemanden auf den Fotos?«
Plötzlich stand Rudi Gies hinter uns und starrte interessiert auf meinen Bildschirm. Schnell drückte ich auf die Austaste des Monitors.
»Hallo, Herr Kollege«, sagte ich. »Hatten Sie noch einen schönen Abend gestern?«
»Ja. Ich hoffe, Sie auch. Der Ausblick da oben lohnt sich ja.«
»Grüße an Frau Grandi, wenn Sie ihr das nächste Mal begegnen«, lächelte ich.
»Frau Grandi?«, fragte Jansen.
Ich erklärte die Zusammenhänge.
»Ich kenne Frau Grandi aus früheren Tagen«, stotterte Gies. »Gemeinsame Jahre bei der BILD. Und vor Kurzem haben wir uns hier in Bierstadt zufällig wiedergetroffen.« Mit einem bedauernden Blick auf den schwarzen Monitor stapfte er hinaus.
Ich schaltete das Gerät wieder ein. Jansen und ich wandten uns erneut der Mail und den Bildern zu.
»Der Name Hans Meier klingt unglaublich authentisch«, meinte er.
Ich ergänzte: »Einem Hermann Schulz hätte ich bedingungslos geglaubt.«
Jansen witterte eine Spur: »Über die IP-Nummer des Computers bekommen wir den Absender heraus.«
»Fällt das nicht unter Datenschutz?«, fragte ich.
»Polizei und Staatsanwaltschaft können die Herausgabe erzwingen«, antwortete er.
»Eben«, nickte ich. »Du möchtest doch bestimmt nicht, dass die ermittelnden Behörden erfahren, dass wir über diese Fotos verfügen.«
»Du hast es erfasst, Grappa-Baby.« Jansen lachte überlegen. »Aber du hast ja einen schlauen Chef, der seine Kontakte hat. Obwohl er nicht mehr jeden Tag auf aktuellen Journalismus macht.«
»Du kriegst den Absender raus?«
»Wetten, dass?«
»Und wie viele Jahre dauert das?«
»Na, ja … in einer halben Stunde müsste ich wissen, wem der Rechner gehört.« Damit verzog er sich.
Ich speicherte die Bilddateien im Bildarchiv des Redaktionssystems und guckte dann genauer hin. Die Fotos waren unscharf, aber vielsagend. Wenn Jessica Brühl diese Aufnahmen gemacht hatte, war das Motiv für ihre Ermordung offensichtlich.
Zunächst musste ich mich vergewissern, dass die Aufnahmen wirklich im Rathaus entstanden waren. Ich betrachtete die sichtbare Inneneinrichtung. Büromöbel, die überall hätten stehen können. Kaffeemaschine, Flipchart, Aktenordner und jede Menge Sekt-, Wein- und Bierflaschen.
Doch da waren auch Fenster. Sie gaben den Blick auf Bierstadt frei. Ich identifizierte die Kirche, die vom Rathaus aus gut zu sehen war, das Versicherungsgebäude und das alte Ziegelsteinhaus aus der Wilhelminischen Zeit, in dem früher mal die Stadtverwaltung und ein paar Ämter untergebracht waren.
Ja, die Fotos waren im Rathaus aufgenommen worden. Nun musterte ich die Personen. Junge Frauen, leicht bekleidet und in eindeutigen Posen. Männer in verrutschten Anzügen, fettes Lachen im Gesicht und Alkoholblick. Auf einem Bild war im Hintergrund ein junger Mann zu sehen, der mit einem aufgerollten Geldschein weißes Pulver aufnahm. Wer das war, konnte man freilich nicht erkennen. Von der Mehrheitspartei identifizierte ich Parteichef Mobby Madig, den SPD-Fraktionsvorsitzenden Erwin Debill und zwei Dezernenten – Enno Barth und Max Grubermeier. Der eine war für Kultur und Sport zuständig, der andere für Stadtplanung und Bauen. Aber auch CDU-Politiker hatten sich unter die Gäste gemischt – zum Beispiel der Fraktionschef und ein paar Hinterbänkler, deren Namen ich mir nie merken konnte.
Ich kopierte Ausschnitte und vergrößerte die Gesichter. Männer und Frauen getrennt. Bei einem Bild stutzte ich. Diese Blondine da, die hatte ich doch schon mal gesehen …, aber wo … und wann? Ich grübelte eine Weile. Dann wusste ich: Es war vor ganz kurzer