Grappas Gespuer Fuer Schnee
vorstellen, wer alles dabei war. Also pixeln wir Madig und Genossen. Und der CDU-Fuzzi ist ja ohnehin an den Manschettenknöpfen und dem Ehrenring der Stadt zu erkennen. Guck mal!«
Der Mann, der die Nase in eine Linie weißen Pulvers steckte, hatte sich mit einer Hand abgestützt. Auf dem Manschettenknopf prangte unübersehbar das CDU-Logo und am fleischigen Ringfinger leuchtete der blausteinige Ehrenring.
»Stimmt«, grinste ich. »Und guck mal, Madig beherrscht den Büro-Klassiker offensichtlich ganz gut.«
Mobby Madig, der Parteichef der Sozialdemokraten, beugte sich mit angestrengter Miene über eine junge Frau, die bäuchlings auf dem Schreibtisch lag.
»Und da lernt der Erwin Kopieren«, kommentierte ich weiter. »Früher hat er den Strom bei den Stadtwerken abgelesen. Welch ein Aufstieg durch Parteibuchs Gnaden! Ob die Frau ihm das Gerät vorher erklärt hat?«
Fraktionschef Debill stand an einen Kopierautomaten gelehnt – vor sich eine leicht bekleidete Frau auf Knien. Sie war nur von hinten zu sehen. Er hatte beide Hände an ihren Kopf gelegt.
»Debill hat nichts gegen die Frauenbewegung … wenn sie nur rhythmisch genug ist«, lästerte Jansen. »Die beiden Dezernenten sind richtig peinlich.«
Enno Barth und Max Grubermeier hatten eine ›Dame‹ auf den Kopierer gesetzt, auf den Start-Knopf gedrückt und hielten nun die Kopie in die Kamera.
»Mein Gott, Grappa, und ich dachte immer, dass Bierstadt ein beschauliches Pflaster ist.«
»Daran arbeiten wir doch«, stellte ich fest. »Und jetzt muss ich an die frische Luft. Oder brauchst du mich noch?«
»Mach dir einen gemütlichen Abend«, nickte mein Chef. »Ich bearbeite noch die Gesichter bis zur Unkenntlichkeit und geh dann auch nach Hause. Der Tag morgen wird nicht einfach!«
Auf dem Weg nach Hause kehrte ich noch kurz beim Pizza-Service meines Vertrauens ein und ließ mir eine Quattro stagioni einpacken. Ich freute mich auf mein Haus, den wilden Garten, der dringend gepflegt werden musste, und eine kühle Flasche Wein.
Heute Abend wollte ich nicht mehr gestört werden. Ich nahm Pizza, Glas und Wein und verzog mich ins Freie. Hier würde ich kein Telefon hören. Mein Handy steckte in den Tiefen meiner Handtasche und die befand sich im Flur.
Der zweite Stuhl am gelben Tisch war leer. Vor einigen Wochen hatte ich noch mit Kleist hier gesessen. Schade, dass mein Beruf mich zwang, ihn um Informationen anzugehen, und seiner ihm verbot, sie mir zu geben. Womöglich machten unsere Berufe eine wirkliche Beziehung unmöglich. Aber vielleicht fehlte uns auch nur der Wille und ein großes Stück Mut.
Eskorte ohne Motorrad
Auf dem Weg zur Redaktion hielt ich an einem Kiosk und kaufte die BILD-Zeitung. Milva Grandi hatte wieder zugeschlagen.
ICH SAH SIE KOMMEN UND GEHEN – RATHAUSPFÖRTNER WOTAN B. PACKT AUS
Ich nahm das Blatt und steuerte meine Lieblingsbäckerei an.
Anneliese Schmitz war in die Lektüre des Tageblattes vertieft, legte die Zeitung aber sofort weg, als ich den Laden betrat.
»Frau Grappa!«, strahlte die Bäckerin. »Wie isses?«
»Muss. Und selbst?«
»Muss. Ihr Artikel heute ist Klasse. Da ham Sie ja wieda was aufgedeckt.« Ich lachte. »Ich mache nur meinen Job, Frau Schmitz.«
»Boah! Das ist alles nicht wahr!« Sie hatte das Tageblatt wieder in der Hand. »Diese Schmierlappen im Rathaus. Und für so was zahl ich Gewerbesteuer. Wer hat denn die arme Frau erwürgt? Die mit den Fliegen?«
»Wenn ich das wüsste, Frau Schmitz.«
»Na, ja, dann kriegen Sie es raus«, gab sie mir den Auftrag. »Und? Was darf es heute sein? Wie imma?«
»Wie imma!«
Sie stellte mir einen Riesenpott Kaffee hin und schnitt ein Brötchen auf.
»Schinken und Gurke?«
»So isses.«
Ich mümmelte meine Mahlzeit. Anneliese Schmitz ließ mich nicht aus den Augen.
»Der Mann von vor zwei Tagen war nicht wieder da«, meinte sie.
»Ich weiß. Er wird auch nicht wiederkommen, schätze ich.«
»Frau Grappa!« Ihr Ton war flehend. »Kann denn nicht mal einer bleiben? Was hat denn an dem wieder nicht gepasst? War doch ein netter Herr.«
»Der ist immer noch nett«, gab ich zur Antwort. »Aber die Netten passen wohl nicht zu mir.«
»Tun sie doch.« Die Bäckerin warf mir einen mütterlichen Blick zu. »Aber irgendwas in Ihrem Charakter schießt immer quer.«
»Liebe Frau Schmitz!« Ich hatte genug. »Ich muss zur Arbeit. Bleiben Sie mir gewogen – jedenfalls als Leserin. Und das mit den Männern lassen Sie mal meine Sorge sein.«
In der
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