Grappas Gespuer Fuer Schnee
Redaktion kümmerte ich mich zuerst um die Dame aus dem Florian.
Die Baufirma, für die Abdallah al-Murad als Ingenieur arbeitete, war auch in Kuwait aktiv. Ich fragte ihn am Telefon, ob er einen Schal vermisse. Natürlich vermisste er keinen, denn es gab das Textil ja gar nicht. Ich brachte das Gespräch auf seine Begleiterin.
»Ich kenne sie nicht näher«, entgegnete er in fast akzentfreiem Deutsch. »Sie heißt Lady Cora.«
»Lady Cora?«
»Die Dame wurde von einer Agentur vermittelt. Für einen Abend. Begleitservice.«
Erstaunlich: Abdallah al-Murad hatte keinerlei Scheu zuzugeben, dass er die Dienste einer Edelnutte in Anspruch genommen hatte.
»Dann gehört der Schal bestimmt ihr. Wenn Sie mir die Firma nennen, kann ich das Teil dorthin schicken.«
Der Schuppen hieß First-Class-Exclusive-Escort-Service und Lady Cora würde es mir vermutlich nicht so einfach machen wie Abdallah al-Murad.
Der Begleitservice hatte eine bombastische Internetpräsentation. Die buchbaren Damen waren in mehr oder weniger aussagekräftigen Posen abgebildet – meist ohne Kopf oder mit abgewandtem Gesicht. Das, auf was es den Kunden ankam, war in Szene gerückt: Brüste in Spitzen, Backen in Tangas, Beine in Haltlosen und Füße in Stilettos.
Auch der Text war verheißungsvoll:
Bei First-Class-Exclusive-Escort-Service finden Sie international erfahrene, exklusive Begleitung zu geschäftlichen Terminen, Messen oder Reisen, für einen Abend, einen Urlaub oder sinnliche Momente zu zweit. Es erwarten Sie attraktive Escort Ladys mit Persönlichkeit und Ausstrahlung, die sich auf jedem Parkett sicher bewegen können. Diskretion, Vertrauen und Zuverlässigkeit sind für uns von allerhöchster Bedeutung. Jede unserer Ladys verfügt über ein persönliches Online-Portfolio, mit Fotos, einer detaillierten Beschreibung und Anregungen für die Gestaltung eines unvergesslichen Zusammenseins.
Es gab sogar eine Preistabelle: Sie reichte von zwei Stunden Dinner Date für 250 Euro über zwei Stunden sogenannter Private Time für 500 Euro bis achtundvierzig Privatstunden für 2.900 Euro. Für stolze 6.000 Euro konnte man eine Lady auch wochenweise buchen.
Ich suchte Lady Cora im Online-Portal. Sie räkelte sich in exklusiven Dessous auf einem Ohrensessel.
Ich fragte mich, was so eine Frau wohl dazu trieb, Sex gegen Geld zu tauschen. Nach sozialer Not sah sie nicht aus. Aber vielleicht hatte sie ja eine pragmatische Einstellung zur Erotik. Oder wollte einfach keine festen Bindungen eingehen. Oder die paar guten Jahre vor dem weiblichen Verfallsdatum gewinnbringend nutzen.
Unter dem Button Mitarbeit suchte die Firma Nachwuchs. Das las sich so:
Für unsere Kunden in Deutschland und ganz Europa suchen wir Models mit Persönlichkeit und Ausstrahlung. Unsere Anforderungen an eine Escort-Lady:
Alter zwischen 21 und 40 Jahre, ein gepflegtes und attraktives Äußeres ohne auffällige Tattoos und/oder Piercings, selbstbewusst, niveauvoll und kultiviert, absolut diskret, flexibel in der Zeiteinteilung, charmante und sympathische Ausstrahlung, sehr gute Allgemeinbildung und die Fähigkeit zu niveauvoller Kommunikation.
Entsprichst du dem hohen Anspruch der Kunden von First-Class-Exclusive-Escort? Dann fülle gleich online unser Bewerbungsformular aus oder schick uns deine Fotos per E-Mail. Wir sind gespannt auf dich!
Nichts für dich, Grappa, seufzte ich innerlich. Zu alt, nicht diskret genug und meine Zeiteinteilung wurde oft von den Ereignissen bestimmt. Ich war nicht gerade flexibel.
Wie kam ich an Lady Cora heran?
Über ein Kontaktformular konnten die Damen gebucht werden, das Honorar musste im Voraus auf das Konto der Agentur überwiesen werden.
Ich als Frau konnte Lady Cora wohl kaum buchen. Ich brauchte einen Mann für die Aktion. Zwei Stunden Dinner-Date für 250 Euro – das müsste drin sein.
Ich schilderte Jansen die Situation.
»Darf ich deinen Namen auf dem Buchungsformular angeben?«, fragte ich.
»Lieber nicht, Grappa«, wehrte er ab. »Ich habe eine eifersüchtige Frau. Und ich müsste das Geld ja von meinem Konto überweisen. Wenn Gerda das spitzkriegt, kann ich mich warm anziehen.«
»Ich verstehe. Dann muss Harras ran. Kann ich ihm sagen, dass die Kohle über Spesen läuft?«
Es brauchte nicht viel Überredungskunst, meinen Kollegen zu überzeugen. Das Foto von Lady Cora genügte. Er bekam große Augen und war Feuer und Flamme.
»Ich überweise das Geld noch heute«, versicherte er. »Für welchen Tag sollen wir sie
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