Grappas Gespuer Fuer Schnee
ganze Umfeld der Toten erzählt diese Geschichte.«
»Es kann aber nicht sein, dass du keinen Grund hast, sie zu töten. Du tust es ja.«
Kleists Blick verriet, dass er meine Worte nicht aufnahm. Seltsam abwesend zahlte er. Dann verabschiedete er sich ohne weitere Verabredung.
Männer!
Am Nachmittag machte ich mich auf die Suche nach Rudi Gies. Er hing bis zum Hals in dem Schlamm um die Kokspartys drin.
Sein Handy war ausgeschaltet. Über den Verlag besorgte ich mir die Adresse seiner Wohnung und war überrascht, dass er in einer Pension logierte. Sie befand sich nicht weit vom Verlagshaus entfernt in einer schmalen Straße mit Häusern aus der Gründerzeit.
Die Besitzer hatten sich Mühe gegeben, dem kleinen Hotel eine gewisse Niedlichkeit zu verpassen. Ich sah Spitzengardinen, vor den Fenstern Blumenkästen mit Geranien und eine gelb-weiß gestreifte Markise, die über die Tische und Stühle vor dem Gebäude ausgefahren worden war.
Und ich sah auch ihn: Rudi Gies – offensichtlich quietschvergnügt saß er bei einem Bier und rauchte eine Pfeife.
»Hallo, Herr Kollege«, sagte ich und setzte mich zu ihm. »Heute keine Lust zu arbeiten?«
»Warum?«, entgegnete er. »Ich bin ab morgen beurlaubt. Warum sollte ich heute noch kommen? Damit mich alle schräg anschauen?«
»Sie hätten mit Ihrer Vergangenheit offener umgehen sollen«, sagte ich. »So ein Expornofilmer macht sich nicht besonders gut in der Redaktion einer bürgerlichen Tageszeitung.«
»Was wollen Sie hier, Sie intrigantes Stück?«
Ich schluckte. Sollte ich ihm das Bier über den Kopf gießen oder die Dame spielen? Lieber Dame!
»Sie stecken so was von tief in dem Drogensumpf im Rathaus: Bedrohen eine Zeugin! Akquirieren die Edelnutten für die Partys!«, hielt ich ihm vor. »Warum machen Sie das? Sie hatten doch die Chance, als Journalist wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Warum haben Sie sie nicht genutzt?«
Rudi Gies sah mich an. Seine rote Nase glänzte krank. »Glauben Sie wirklich, dass ich Spaß daran habe, kleine brave Artikelchen für ein dummes Abonnentenpack zu schreiben?«
»Sie waren immerhin mal politischer Redakteur.«
»Na und?« Er lachte spöttisch. »Mein Auftrag war ein ganz anderer.«
Ich stutzte. »Auftrag?«
»Ja, Auftrag. Achten Sie darauf, was in den nächsten Tagen passiert. Dann verstehen Sie, was ich meine.«
Große Fresse, dachte ich. »Wer war die Frau, die die Partys im Rathaus geplant hat? Jessica Brühl?«, versuchte ich es noch einmal.
»Für wie dämlich halten Sie mich, Frau Grappa?«
»Ich halte Sie keineswegs für dämlich, sondern für gefährlich, korrupt und ekelhaft«, wütete ich. »Und ich kriege Sie dran, darauf können Sie sich verlassen!«
Ich stand auf und ging.
»Passen Sie auf sich auf!«, rief Gies mir nach. »Es gibt so viel Gewalt gegen Frauen in dieser Stadt.«
Missmutig fuhr ich nach Hause. Viel schlauer war ich nicht geworden. Neu war nur, dass Gies einen Auftrag hatte. Aber mit welchem Ziel und von wem?
Ich informierte Jansen über das Gespräch. Er hatte schon erfahren, dass er mit dem unliebsamen Redakteur nicht mehr zu rechnen brauchte.
Später am Abend meldete sich Kleist und teilte mir mit, dass Anna Wachowiak kooperativ gewesen sei.
»Sie hat mir von einem Mann im Restaurant erzählt, der sie bedroht hat. Und sie sagte, dass du ihn kanntest. Wer ist das?«
»Ein ehemaliger Kollege von mir«, antwortete ich. »Es kann nicht schaden, wenn ihr ihn euch mal vornehmt.«
Ich nannte ihm die Rahmendaten von Gies.
»Was macht der Hochzeitsmörder?«, fragte ich dann.
»Wir haben die Vernehmungen der Menschen, die sich in den umliegenden Häusern aufhielten, abgeschlossen. Leider gab es keine weiterführenden Hinweise. – Ich wollte mich noch bei dir bedanken. Die Verfertigung der Gedanken beim Reden hat mir geholfen. Jedenfalls meinen Ideen.«
»Dann ist die Aufklärung ja nur noch eine Sache von ein paar Stunden«, frotzelte ich. »Wie hat dich Milva Grandi in dem Artikel genannt? Erfolgreicher Ermittler?«
»Die Presse übertreibt immer. Du kennst das doch.«
Der Bürgermeister wehrt sich
Gleich am nächsten Morgen erklärten sich die mysteriösen Andeutungen von Rudi Gies.
Die BILD-Zeitung lag auf meinem Schreibtisch in der Redaktion. Innen prangte ein Foto von Oberbürgermeister Jakob Nagel mit verrutschtem Anzug – eingerahmt von zwei drallen, leicht bekleideten Mädchen und mit weißem Pulver an den Nasenflügeln.
PLÜNDERTE AUCH DER
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