Grappas Gespuer Fuer Schnee
KOKSER-OB DIE STADT-KASSE FÜR SEXPARTYS?
Von BILD - Reporterin Milva Grandi
Jetzt haben sie ihn, dachte ich. Das überlebt er politisch nicht. Ich sah mir das Foto genauer an, entdeckte aber keine Unstimmigkeiten, die auf eine Fotomontage schließen ließen.
OB Nagel: Ich kenne die beiden Damen nicht und habe nie Kokain konsumiert. Auch von Sexorgien in meinem Büro weiß ich nichts. BILD fragt: Will der Bierstädter OB die Bürger seiner Stadt für dumm verkaufen? BILD fordert: Treten Sie zurück, Herr Nagel, bevor die Sache noch peinlicher wird!
Es klopfte. Jansen erschien und sein Gesicht sagte mir, dass er die Zeitung mit den großen Buchstaben schon gelesen hatte.
»Es gibt eine Ehrenerklärung der Partei für Jakob Nagel«, sagte mein Chef und reichte mir ein Fax. »Madig ist ein verschlagener Intrigant.«
Wir – die SPD-Fraktion und die Landespartei – stehen voll hinter unserem Oberbürgermeister Jakob Nagel. Wir werden jeder üblen Nachrede und jeder Verdächtigung entgegenzutreten wissen. OB Nagel hat eine beeindruckende Leistungsbilanz vorzuweisen. Er ist ein hoch kompetenter Oberbürgermeister, dem Bierstadt viel zu verdanken hat. Zukunft, Zusammenhalt, Zuhause – Bierstadt gewinnt – so der Leitsatz des Oberbürgermeisters. Stabile Einwohnerzahlen, zufriedene Menschen, eine rege Investitionstätigkeit und eine verantwortliche sozialdemokratische Sozialpolitik prägen die Stadt. Ein neues Bierstadt ist entstanden. Deshalb werden wir – Fraktion und Partei – allen Versuchen entschieden entgegentreten, unseren Oberbürgermeister politisch und persönlich zu beschädigen. Wir verlangen von Polizei und Staatsanwaltschaft, die Vorwürfe gegen OB Nagel sorgfältig zu überprüfen. Wir sind sicher, dass sich alle Beschuldigungen in Luft auflösen werden.
Das Fax war von Mobby Madig und Erwin Debill unterschrieben.
»Verlogenes Pack«, sagte ich. »Die wollen Nagel lieber heute als morgen in die Wüste schicken.«
»Ach ja. Nagel hat zu einer Pressekonferenz eingeladen. In einer Stunde.«
Auf der Treppe, die zum Rathaus führte, lief mir Milva Grandi über den Weg. Natürlich hatte sie das passende Gesicht aufgesetzt – ihr Artikel und das Foto waren die Sensation des Tages.
»Hallo, Frau Grappa«, begrüßte sie mich gnädig. Sie schien erneut einem Farbkasten entsprungen zu sein. Im schwarzen Haar glitzerten winzige Sternchen, das voluminöse Halstuch hatte lange, rote Fransen und die Schuhspitzen der hohen Pumps waren mit Metall verkleidet.
»Hallo, Frau Kollegin. Gute Story, ja wirklich.« Ich zeigte ein Lächeln, das so süß war, dass ein Diabetiker direkt ins Koma gefallen wäre. Leider war sie nicht zuckerkrank.
»Ja, finde ich auch. Bierstadt wird in einigen Stunden eine andere Stadt sein.«
»Dann rechnen Sie also mit Nagels Rücktritt?«
»Selbstverständlich!«, entgegnete Grandi triumphierend. Einige Sternchen fielen aus der Frisur.
Pöppelbaum neben mir drängelte. »Komm, wir müssen los. Sonst sind die besten Plätze weg.«
»Hoffentlich haben Sie nicht den Falschen erwischt«, sagte ich und drückte mich an ihr vorbei. »Auch Fotos können lügen. Komm, Wayne!«
Vor dem verschlossenen Sitzungszimmer war die Hölle los. Sensationsgier waberte wie ein Nebel durch die Etage. Kamerateams traten sich gegenseitig auf die Füße, Fotografen überprüften die Einstellungen ihrer Apparate. Zeitungsschreiber besprachen sich mit ihren Knipsern. Auch Rudi Gies war gekommen. Er unterhielt sich mit Milva Grandi.
Endlich öffneten sich die Türen des Saals. Alle stürzten in den Raum. Pöppelbaum lief voran, um sich eine gute Position zu sichern. Als alle Platz genommen hatten, erschien Nagel – flankiert von seiner Referentin und dem Leiter des städtischen Presseamtes.
Ich schaute mich um, wo Milva Grandi saß. Sie hatte ihr Opfer gut im Blick.
»Meine Damen und Herren! Der Oberbürgermeister wird eine Erklärung abgeben. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit«, eröffnete der Pressechef die Konferenz.
Nagel war bleich und hob den Blick nicht vom Tisch. Er las die Rede ab: »Meine Damen und Herren, liebe Genossen! In den letzten Stunden habe ich in aller Ruhe und mit etwas Abstand über die aktuelle Lage in Bierstadt nachgedacht. Ausführlich habe ich mit meiner Familie gesprochen, mich mit Freunden beraten und eine Entscheidung getroffen: Ich trete mit sofortiger Wirkung als Oberbürgermeister zurück .«
Raunen, Geknipse, Kamerasurren. Nagel schaute zum ersten Mal auf. Er
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