Grappas Gespuer Fuer Schnee
einfach so um! Warum? Wer hat das getan?«
»Der Mörder wird seine gerechte Strafe bekommen«, versprach ich.
»Aber die Polizei tut doch nichts!«
»Ich habe Kontakt zu dem Mörder. Er hat mich angerufen.«
Waltraud Becker sah mich entsetzt an. »Sie sind das?«
»Ja. Ich habe doch darüber geschrieben.«
»Ich hab’s nur von Bekannten gehört. Zeitungen lesen kann ich im Moment nicht.«
»Rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt«, bat ich und gab der Mutter meine Karte. »Auch, wenn etwas passiert. Oder wenn Sie reden wollen. Ich bin immer für Sie da.«
Mit einem flauen Gefühl im Magen fuhr ich zur Redaktion zurück. Aus Hinterbliebenen von Mordopfern Informationen herauszuholen, nannte man in der Branche ›Witwenschütteln‹. Ich hasste das, doch was blieb mir übrig? Das Gespräch mit der trauernden Mutter war mir richtig unter die Haut gegangen.
Erst mal in die Kaffeeküche und die doppelte Dröhnung kochen. Wen kannte Rudi Gies eigentlich nicht? Welche Verbindung gab es zwischen ihm, der toten Braut und Parteichef Madig?
Mein ehemaliger Kollege hatte in den Mordfällen eine Allgegenwart, die mir unangenehm war. Ich würde mich leider weiter mit ihm beschäftigen müssen.
Die Sollbruchstellen der Eier
Ich liebe die ausführlichen Frühstücke daheim. Meistens fehlt leider die Zeit dazu. Dann kehre ich bei Frau Schmitz ein und genehmige mir mindestens zwei Tassen von ihrem köstlichen Milchkaffee und ein Brötchen oder zwei. Wenn auch das nicht klappt, gibt es halt nur den Kaffee und das belegte Brötchen in der Verlagskantine.
Heute gab es keinen Zeitdruck. Am Abend zuvor hatte ich üppig eingekauft, die Vorräte an Nudeln aufgestockt, den Kasten mit Mineralwasser gefüllt und Wein besorgt. Sogar an Eier hatte ich gedacht.
Ich warf eins in kochendes Wasser und stellte die Uhr. Sieben Minuten. Genug Zeit zu duschen. Das heiße Wasser lief über mich und mobilisierte meine Denkfähigkeit. Mit geschlossenen Augen versuchte ich, die beiden Mordfälle miteinander zu verknüpfen. Eine nachweisbare Verbindung ergab sich durch Rudi Gies. Und Madig zog im Hintergrund Strippen. Er kannte sowohl Sandra Becker als auch Jessica Brühl.
Ich trocknete mich ab, cremte mich ein und föhnte die Haare. Madig als Mörder? Nein, dachte ich, der schießt nur aus dem Hinterhalt und nicht aus einer Waffe. Madigs Kombination von Feigheit und Verschlagenheit war wirklich übel. Außerdem hätte er es nie gewagt, mir eine Mail zu schicken oder mir auf dem Markt die DVD in die Tasche zu stecken. Dazu war er viel zu bekannt. Andererseits konnte man solche Dinge auch delegieren.
In der Küche kochte noch immer das Ei – leider ohne Wasser. Die Hitze hatte die Schale des Hühnerproduktes leicht bräunlich gefärbt. Es roch nicht besonders gut.
Ich riss die Tür zum Garten auf und atmete durch. Dann entsorgte ich das steinhart gewordene Ei in den Biomüll und setzte frisches Wasser auf. Diesmal würde ich die Küche nicht verlassen.
Doch prompt klingelte im Flur das Handy. Ich rannte hin und ging ran. Am anderen Ende der Verbindung war Waltraud Becker.
»Sie haben doch gesagt, dass ich Sie anrufen kann, oder?«
»Natürlich. Was ist passiert?«
»Die Polizei war heute bei mir. Sie wollten wissen, woher Sandra dreißigtausend Euro hat.«
»Dreißigtausend Euro?« Ich war verblüfft. »Wo kommen die denn plötzlich her?«
»Die waren in Sandras Wohnung versteckt. Hinter den Fliesen im Bad.«
»Was ist das für Geld?«
»Ich weiß es doch nicht!«, rief Waltraud Becker verzweifelt. »Sie hat ja nicht besonders gut verdient und in den letzten Wochen gar nichts mehr.«
»Seltsam.« Ich konnte mir keinen Reim drauf machen.
»Da ist noch was«, druckste Frau Becker.
»Was denn?«
»Der Herr Madig war vor zwei Tagen bei mir. Er hat behauptet, Sandra habe der Partei dreißigtausend Euro gestohlen. Aus der Kasse. Er wollte das Geld zurückholen. Aber ich wusste ja gar nicht Bescheid.«
»Das ist ja ein Hammer«, meinte ich. »Warum haben Sie mir das nicht gleich erzählt?«
»Ich wollte nicht, dass Sie denken, dass Sandra eine Diebin ist.«
»Weiß die Polizei von Madigs Besuch?«
»Nein. Madig hat gesagt, dass ich nichts sagen soll. Sonst würde er mich wegen Unterschlagung des Geldes verklagen.«
Das Schwein, dachte ich. »Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte ich Waltraud Becker. »Der Kerl kann Ihnen gar nichts. Haben Sie was dagegen, wenn ich mit dem Hauptkommissar darüber spreche?«
Ȇber
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