Grappas Gespuer Fuer Schnee
Sandra?«
»Und über Madig. Ich glaube nicht, dass Sandra eine Diebin ist.«
Von Letzterem war ich nicht so fest überzeugt.
Das Sieben-Minuten-Ei hatte inzwischen doppelt so viel auf dem runden Buckel. Aber es war wenigstens nicht trockengelegt wie das erste und würde noch genießbar sein. Ich stopfte es in einen Eierbecher und holte meinen Eierschalensollbruchstellenverursacher. Ein Geschenk von Kleist aus besseren Tagen. Er hatte meine Art, das Frühstücksei mit einem einzigen beherzten Schlag glatt zu köpfen, als zu brutal und einer Frau nicht angemessen kritisiert.
Der Eierschalensollbruchstellenverursacher war aus Edelstahl und sah selbst aus wie ein halbiertes Ei. Auf der Spitze des Deckels war ein langer Stab angebracht und eine schwere bewegliche Kugel. Diese ließ man von oben herabfallen, sodass sie auf das stählerne Hütchen krachte, dessen Rand scharf geschliffen war. Durch den Aufprall grub sich ein feiner Riss rund um den Kopf des Eis. So konnte man – wenn alles gut ging – den oberen Teil der Schale mühelos abheben und mit dem Verzehr beginnen.
Ich hatte es mehrfach versucht, war aber jedes Mal gescheitert. Entweder war die Kugel nicht schwer genug oder die Schalen meiner Bio-Eier zu dick, vielleicht hatten die Misserfolge ihre Ursache auch darin, dass ich das Ei falsch herum in den Becher steckte.
Aber mein Ehrgeiz hatte nicht nachgelassen. Ich nahm das harte Ei und startete die ›Operation Eierköpfen‹. Die Kugel knallte herab. Das Geräusch hörte sich vielversprechend an. Ich hob das Gerät an. Das Ei kam mit dem stählernen Ding aus dem Eierbecher. Wie hineingeklebt. Vorsichtig zog ich unten an dem Hühnerprodukt. Nichts. Es hatte sich in dem metallenen Eierhütchen festgesaugt und ließ sich nicht bewegen.
»Danke, Kleist«, zischte ich wütend. »Andere Frauen bekommen von ihren Lovern Schmuck, Parfum oder wenigstens Blumen. Was bekomme ich?«
Entschlossen griff ich zum Messer, holte aus und guillotinierte das Teil. Brutale Gewalt ist ausgeklügelter Technik eben doch überlegen.
Kann man Mobby mobben?
»Herr Madig hat Termine«, ließ eine junge männliche Stimme im SPD-Parteibüro verlauten.
»Dann schieben Sie mich dazwischen«, forderte ich. »Es ist wichtig.«
»Für Sie oder Herrn Madig?«
»Für Ihren Chef«, behauptete ich. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Ich bin die studentische Hilfskraft.«
»Aha. Kannten Sie die verstorbene Frau Becker?«
»Nur flüchtig. Um was geht es denn?«
Immer diese Vorzimmergestalten! Entweder saßen dort eifersüchtige Tippsen oder karrieregeile Praktikanten. Beide Sorten Mensch hatten mich in meinem Leben mehr Nerven gekostet als jeder Massenmörder.
»Ich würde Ihnen ja gern helfen«, lenkte der junge Mann ein. »Aber Herr Madig nimmt gerade an einer außerordentlichen Parteiklausur teil. Ich kann ihn nicht erreichen.«
Parteiklausur! Die fand immer im Goldsaal der Westfalenhallen statt.
Das Frühstücksei grummelte in meinem Magen. Oder hatte ich zu viel Kaffee getrunken? Der Weg zu den Westfalenhallen war zu Fuß einfach zu bewältigen. Etwas Bewegung würde mir guttun.
Leider begann es, heftig zu regnen. Ich suchte Schutz an den überdachten Bushaltestellen. Dennoch fiel meine Frisur – falls mein kurz geschnittenes Haar diese Bezeichnung verdiente – in sich zusammen. Ein nasser Kopf und verrutschtes Augen-Make-up würden sich gut machen, wenn ich mir Madig kaufen wollte. Der bekommt einen Schock und gesteht von allein, grinste ich in mich hinein. Aber was konnte er zu gestehen haben?
Ich nahm mir vor, es wie immer zu machen: so zu tun, als wüsste ich alles, einige harte, konfrontative Sätze an mein Gegenüber und ein Lächeln, das Mut, Frechheit und Ichbin-klein-mein-Herz-ist-rein zum Ausdruck brachte.
Der Regen verzog sich. Vor dem Goldsaal peilte ich die Lage. Ich wollte nicht zu früh bemerkt werden. Madig sollte keine Zeit haben, sich auf meine Attacke vorzubereiten.
Ich lief zu den Waschräumen, um mich salonfähig zu machen. Der Teppichboden schluckte jeden Schritt. Ich hatte die Klinke schon in der Hand, als jemand aus der Tür des gegenüberliegenden Männerklos trat: Rudi Gies.
»Frau Grappa?« Er grinste.
»Nein. Ich bin’s nicht. Sie müssen sich irren«, murrte ich.
»Dachte ich mir schon. Sie sehen ganz anders aus.«
»Was machen Sie denn hier?«, fragte ich.
»Ich berate die SPD und ihren Vorsitzenden. Medienpolitisch.«
»Die brauchen auch Beratung«, stimmte ich zu. »Dringend. Ob durch
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