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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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mich erst mal für die unangenehme Aufgabe stärken“, sagte er. In Siggis Grill unterhielten sie sich, jeder eine Rote Wurst kauend, über Frieder Sausele.
    Erst gestern hatten sie ihm mitteilen müssen, dass seine Mutter vorläufig nicht eingeäschert werden konnte, weil sie obduziert werden musste. Er war entsetzt und fassungslos gewesen. Sie hatten ihn schließlich davon überzeugen können, dass die Obduktion notwendig war, weil es mehrere ungeklärte Todesfälle im Sonnenweiß-Stift gegeben hätte. Trotzdem war den beiden das unter die Haut gegangen. Und heute nun mussten sie ihm mitteilen, dass seine Mutter wahrscheinlich ermordet worden war!
    Im Vergleich zu gestern reagierte der stämmige, mit einem beachtlichen Hofbräu-Spoiler ausgestattete Bauunternehmer aber heute sehr gefasst. Er meinte nur, dass er sich das nicht vorstellen könne. Möglicherweise liege ein Irrtum vor, der sicher bald aufgedeckt werden würde. Er sei immer zufrieden gewesen. Die Pflegekräfte seien freundlich und entgegenkommend, obwohl sie es mit seiner Mutter nicht immer leicht gehabt hätten. Infolge ihrer Krankheit wäre sie zuletzt ziemlich nörglig geworden. Aber er könne sich überhaupt nicht denken, dass eine Pflegerin oder ein Pfleger so etwas tun könne.
    Er wollte dann wissen, wann seine Mutter freigegeben würde. Weil ihm die Beamten das nicht sagen konnten, meinte er resigniert, dass er die Urnenbeisetzung in dem Fall wohl verschieben müsse.
    Sie fuhren danach zu Anna Kirchner, deren Mutter mit vorwurfsvoller Miene an der Tür erschien. Als sich die Beamten vorgestellt hatten, sagte sie, ihre Tochter habe starke Migräne, stehe unter Schock und könne mit niemandem sprechen. Wenn sie wollten, könnten sie das ärztliche Attest sehen.
    Dann eben ein anderes Mal, dachte Strobe, erwiderte aber: „Es geht auch um den Schlüssel für den Spind im Pflegeheim. Wir brauchen Annas Schuhe für die Kriminaltechnik. Die Arbeitsschuhe aller an dem Morgen Anwesenden werden untersucht. Das ist reine Routine.“
    „Auf was werden die Schuhe untersucht?“, fragte Frau Kirchner mürrisch.
    „Das darf ich aus ermittlungstechnischen Gründen nicht sagen, Frau Kirchner.“ Strobe sah sie abwartend an.
    Sie verschwand und erschien kurz darauf wieder mit einem Schlüsselbund in der Tür, von dem sie einen kleinen Schlüssel entfernte.
    Geht doch, dachte Strobe. Dann lud er Anna für Montag in die Kriminaldirektion Heilbronn vor und versprach, dass sie den Schlüssel dort wiederbekommen würde.
    „Falls sie ihren Schock überwunden hat und erscheint“, murmelte Schell im Gehen.
    Sie setzten sich ins Auto, bogen zweimal um die Ecke und standen schon vor Dr. Hansens Praxis. Der Hausarzt von Marta Sausele war da und hatte sogar Zeit für sie. Auch er war bestürzt, als er von der vermutlichen Todesursache bei seiner ehemaligen Patientin erfuhr. Dass nun schon vier seiner Pflegeheimpatienten auf unnatürliche Weise verstorben waren, noch dazu innerhalb von zwei Wochen, kam auch ihm etwas seltsam vor. Allerdings konnte er sich bei Herrn Fritz und Frau Leutle durchaus vorstellen, dass sie ihren Tod selbst verursacht hatten, zumindest mitverursacht. Frau Leutle durch den Diebstahl und heimlichen Verzehr des süßen Tortenstückes, Herr Fritz auf ähnliche Weise mit dem Mohnbrötchen. Beide seien bekanntermaßen sehr unvernünftig im Umgang mit den Konsequenzen und Einschränkungen, die sich durch ihre Krankheiten ergäben, gewesen, erklärte er.
    Strobe wollte danach von ihm selber hören, wie der Sonntagnachmittag abgelaufen war, an dem Marta Sausele die Morphiumspritze bekommen hatte.
    Geduldig berichtete der Arzt, und es stellte sich heraus, dass er Frau Sausele tatsächlich nur eine Spritze gegeben hatte, so wie es auch in der Dokumentation vermerkt war.
    Das bestätigte eines der Indizien für ein Verbrechen, denn an der Toten waren zwei Einstichstellen gefunden worden. Nach der Injektion des Morphiums hatte der Arzt die letzte Ampulle der Packung als Reserve für Notfälle bei Frau Sausele im Schwesternzimmer auf Station B einschließen lassen. Die Diazepam-Tropfen, die bei Bedarf gegeben werden konnten, hatte er für diesen Tag gestrichen, das retardierte Morphin, was sie alle zwölf Stunden einnehmen musste, beibehalten. Ob das nicht gefährlich gewesen sei, so viel Morphium, wollte Strobe wissen. Das stritt Hansen vehement ab. Er habe zur Sicherheit das Diazepam abgesetzt, obwohl selbst das die Frau nicht getötet hätte. Dieses

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