Grauen im Pentagon
Rushmore?« flüsterte ich. »Wo können wir ihn finden? Vielleicht im Pentagon?«
»Ja.«
Li Mais Antwort war nur ein Hauch, doch sie wirkte auf uns wie ein Hammerschlag. Suko und ich stürmten auf den Lift zu. Li Mai konnte kaum folgen. Sie hatte ihre Schuhe wieder übergestreift.
»Was wollen Sie denn jetzt tun?«
»Telefonieren«, sagte ich. »Und dann fahren. Können Sie uns einen Wagen besorgen?«
»Das Hotel hat welche.«
»Gut.«
Glücklicherweise hatte uns Karl Mertens die Durchwahlnummer gegeben, unter der wir ihn direkt erreichen konnten. Jetzt hoffte ich nur, daß er auch erreichbar war. Wenn nicht, sah es finster aus…
***
Die Welt war für Karl Mertens untergegangen. Er war in die tiefe Schwärze gefallen, aber nicht in die Schwärze des Todes. Es gibt Situationen, wo es das Schicksal gut mit einem Menschen meint. In eine solche Lage war Mertens geraten.
Der General hatte zwar auf ihn geschossen, jedoch den Kopf nur gestreift und eine tiefe Furche zwischen Stirn und Haaransatz gerissen. Ein wenig tiefer, und Mertens wäre verloren gewesen. So hatte ihn der Treffer nur in die Tiefe der Bewußtlosigkeit gerissen, aus derer allmählich wieder an die Oberfläche stieg.
Es war ein Gefühl, das er kaum mitbekam. Mertens konnte noch nicht richtig denken. Er schwebte zwischen Raum und Zeit, kam sich selbst körperlos vor und litt unter heftigen Kopfschmerzen. Es war der Schmerz, der ihn aus dem Trauma hervorriß und an die Oberfläche zerrte. Mertens öffnete die Augen, sah ein verschwommenes Grau und merkte, daß etwas auf seiner Stirn klebte. Er blieb liegen. Er wollte schlafen, sich selbst aus dieser Lage herausbringen und auch den Schmerzen entwischen.
Es war nicht möglich.
Sie blieben da, sie hämmerten in seinem Kopf. Ein hartes Tuckern, ein Schlagen, als würde ihn jemand mit einem Preßlufthammer bearbeiten. Er hatte zudem Mühe, Luft zu bekommen. Wenn er atmete, röchelte er. Seine Hände zuckten, die Einger krümmten sich, als wollten sie nach einem Gegenstand greifen, an dem sie sich festhalten konnten. Allmählich klärte sich sein Blick. Das Grau verschwand, es machte dem Weiß der Decke Platz, und erst jetzt kam ihm zu Bewußtsein, daß er auf dem Boden lag.
Und zwar in seinem Büro.
Trotz der Schmerzen erinnerte er sich. Mertens war ein rational denkender Mensch und ging auch davon aus, daß er etwas unternehmen mußte, um ein Ziel zu erreichen.
So dachte er auch hier.
Er mußte sich aus seiner Lage befreien, vom Boden erheben, Hilfe holen, denn… Auf einmal wußte er Bescheid.
Es war wie ein Stromstoß, der sein Erinnerungsvermögen wieder in Gang gebracht hatte. Mertens erinnerte sich daran, was vor seiner tiefen Bewußtlosigkeit passiert war. Er hatte Besuch von General Rushmore bekommen, der General hatte ihm von seinem teuflischen Plan berichtet und dann auf ihn geschossen.
Mertens' Gedächtnis war auch wieder soweit hergestellt, daß er über die Folgen des Plans nachdenken konnte. Ein Begriff hämmerte in seinem Kopf.
Zombie!
Lebende Leichen, Untote, die aussahen wie Menschen, es aber nicht mehr waren, weil sie anderen, furchtbaren Gesetzen gehorchten, die die Hölle geschrieben hatte.
Und diese Wesen sollten die wichtigen Stellen des Pentagons besetzen und übernehmen.
Wenn das gelang, gab es ein absolutes Chaos. Gerade das hatte Dr. Mertens verhindern wollen. Deshalb hatte er sich mit London in Verbindung gesetzt und nach John Sinclair gerufen. Aber der Geisterjäger war nicht greifbar. Er ermittelte an anderer Stelle, möglicherweise an einer falschen, zu der Mertens ihn geschickt hatte. Er durfte alles tun, nur eines nicht. Liegenbleiben und sich in sein Schicksal ergeben. Es fiel ihm verdammt schwer, sich zu bewegen, aber Mertens entwickelte eine Energie, die ihm selbst schon unheimlich war. Die Angst vor dem Kommenden, dem Furchtbaren, spornte ihn so stark an. Mühsam rollte er sich auf die Seite, stützte sich dann auf und glaubte, sein Schädel würde in die Luft gesprengt werden. So bissig und stark durchzuckten ihn die Schmerzen.
Er mußte sich ausruhen.
Aber Mertens wollte nicht. Auf allen Vieren kroch er durch das Büro auf eine bestimmte Stelle an der holzgetäfelten Wand zu. Dort befand sich eine Tür. Dahinter lag ein kleiner Waschraum, der außer einem Waschbecken auch eine Dusche enthielt.
Vorder wäre Karl Mertens fast zusammengebrochen. In Höhe der Ellenbogen wollten seine Arme nachgeben, doch er riß sich noch einmal zusammen, stützte sich
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