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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Junge schwieg.
Jeder seinen eigenen düsteren Gedanken nachhängend, fuhren sie weiter und ließen am frühen Nachmittag die Hügel über Devon hinter sich zurück.

Kapitel 4
Graue Welt

I
Die felsigen Hügelformationen wichen schnell weiten Ebenen mit Feldern und Wiesen. Vereinzelt zweigten steinige Feldwege von der Straße ab, die zu kleineren Gehöften führten. Nirgends war eine Bewegung zu erkennen. Aus keinem der Kamine stieg Rauch auf. Wulf beobachtete die Bauernhöfe genau, suchte nach irgendeinem Anzeichen, das ihm menschliches Leben verriet. Ebenso hielt er nach den Kreaturen Ausschau. Es war gut möglich, dass sich einige der Bestien diese abgelegenen Höfe am Tag als Unterschlupf suchten, obwohl Murphy die Meinung vertrat, dass sie menschliche Behausungen zu meiden schienen.
Das Land wirkte verlassen, die Erde ausgedörrt und rissig. Der Anblick der stillen Höfe erinnerte Wulf an düstere Gemälde, hinter deren Fassade der Teufel hauste. Es gab auch keine Tiere auf den Anwesen. Keine Pferde, die in ihren Boxen wieherten, oder Kühe, die im Stall brüllten. Die Welt schien ihre Stimme und ihren Puls verloren zu haben. Die einzigen Bewegungen stammten von kahlen, trockenen Büschen, die sich träge im Wind neigten.
»Warst du schon mal außerhalb der Hügel?«, wollte Wulf wissen. Er fragte dies weniger aus Neugierde, vielmehr versuchte er den Jungen von seinen trüben Gedanken abzulenken, die wie eine Wolke über seinem Kopf hingen. Wulf hätte sie mit seinen Händen ergreifen können.
»Mein Dad hat mich manchmal mit nach Kagan´s Creek genommen.« Daryll betrachtete die Landschaft mit müden Augen. Er wollte nichts bewusst wahrnehmen. Früher hatte er diesen Landstrich geliebt. Er verlieh der Welt eine unendliche Weite und Stille, die man in der Stadt vergeblich suchte. Das Schweigen hingegen, das jetzt über dem Land lag, machte ihm Angst. Er ließ die Felder und Häuser wie graue Farbstriche an sich vorüberziehen und bemühte sich, nicht an die Zeiten zu denken, in denen ihn das Land wie einen verlorenen Sohn willkommen geheißen hatte. »Ein alter Schulfreund von ihm lebt in Kagan´s Creek.« Er verstummte, fuhr sich durch die Haare und schien sie ausreißen zu wollen. »Ich meine, lebte .«
Daryll warf Wulf einen kurzen Blick zu. Dann versank er wieder in seiner Lethargie.
»Vielleicht finden wir dort Verbände und Salben für Demi«, sagte Wulf, darum bemüht, den Jungen am Reden zu halten. Nach dem, was geschehen war, konnte Schweigen einen Jungen in seinem Alter in den Wahnsinn treiben. Über den alten Mann auf der Veranda zu sprechen, käme zu früh. Dafür würden sie immer noch Zeit finden. Es galt, Daryll auf andere Gedanken zu bringen. Ihn aus dieser Welt aus Schock und Furcht, die zweifelsohne in seinem Kopf herrschte, zu befreien.
»Du kennst dich doch sicher in dieser Stadt aus.«
Daryll drehte seinen Kopf zu Wulf und blickte dann nachdenklich durch die geteilte Windschutzscheibe. Die Scheibenwischer hatten vor langer Zeit schon schmutzige Schlieren aus Insekten auf dem Glas hinterlassen.
»Am Ende der Stadt gibt es einen Drugstore«, sagte er. Dann verfiel er wieder in Schweigen.
Wulf dachte an Mikey. Er wusste, dass sein Sohn tot war. Er hatte ihn selbst gesehen
und hinter dem Haus neben seiner Mutter begraben, bevor diese Bestien sich über ihre Leichen hermachen konnten. So sehr ihn Mikeys Tod auch innerlich zerstört hat, so dankbar war er in diesem Augenblick dafür, dass seinem Sohn dieser schreckliche Alptraum erspart blieb. Mikey war immer ein sehr empfindsamer und sensibler Mensch gewesen. In den Punkten war er ganz nach seiner Mutter gekommen. Wulf bezweifelte stark, dass sein Junge mit der neuen Welt, die sie alle da draußen erwartete, so zurechtkommen würde, wie er selbst es tat. Oder Daryll. Jeder besaß zwar seine eigene Methode, den Untergang der Menschheit zu verarbeiten, doch im Endeffekt lief sowohl Darylls selbst auferlegte Betäubung wie auch Wulfs Entschlossenheit, am Leben zu bleiben und etwas Neues in dieser Welt aufzubauen, auf das Ziel hinaus, nicht den Verstand zu verlieren. Für Murphy konnte er nicht sprechen. Der alte Mann würde sich erst einmal mit dem Gedanken auseinandersetzen müssen, dass er an diesem Tag seinen besten Freund erschossen hatte, auch wenn dieser schon kein Mensch mehr gewesen war.
Diese Konfrontation mit sich selbst würde nicht heute über ihn kommen. Dafür lag das Geschehene noch in zu naher Vergangenheit. Doch es würde der Tag

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