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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Blick zu, doch das Mädchen schien zu schlafen. Ihr Mund bewegte sich, als würde sie auf etwas herumkauen.
»Schlaf nur, meine Kleine«, murmelte er. »Du musst das nicht sehen.«
Er selbst jedoch konnte sich eines Blickes nicht erwehren. Als sie die Pfähle erreichten, warf er einen kurzen Blick zur alten Hütte seines Freundes. Ein heller Fleck, der sich unter einem düsteren Himmel im Gras niederkauerte. Über der Wiese neben dem Haus hingen träge Nebelschwaden. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, die Verandatür stand offen. Genauso wie er es in Erinnerung behalten – so wie er es zurückgelassen hatte, nachdem …
Eine Bewegung ließ Murphy in seinen Gedanken innehalten. Sein Blick konzentrierte sich auf die offene Tür und das Unkraut davor. Auf den Stufen der Veranda stand ein Mann.
Murphy starrte mit offenem Mund den schmalen Sandweg hinab, der zum Haus führte. Seine Hand suchte wie in Trance ihren Weg zur Hupe.
XII
Wulf beobachtete den Ford im Rückspiegel. Er machte sich Sorgen um Murphy. Die Welt musste sich für ihn innerhalb weniger Tage zum zweiten Mal auf den Kopf gestellt haben. Bis gestern glaubte er noch, mit dem Mädchen alleine in den Hügeln zu leben. Vielleicht hielt er sich und Demi sogar für die einzigen Überlebenden. Ein Gedanke, der schrecklich genug war, einen Menschen um den Verstand zu bringen. Und binnen weniger Stunden tauchten Wulf und der Junge auf. Zudem hatte der alte Mann gerade seine Heimat verlassen, die er mit großer Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen würde. Wie sehr mochte ein solches Gefühl wohl am Herzen dieses Mannes nagen?
Murphy war im Rückspiegel nicht mehr als ein Schemen hinter einer mit Fliegen verdreckten Windschutzscheibe. War er überhaupt in der Lage, eine solch lange Fahrt bis nach Stonington zu überstehen? Demi war so tief im Sitz zusammengesunken, dass Wulf sie überhaupt nicht sehen konnte.
Mit Stonington offenbarte sich für Wulf die nächste Frage. Was würden sie auf dem Stützpunkt vorfinden? Wer sagte ihm, dass eine militärische Einrichtung immun gegen das war, was immer sich über die Welt gelegt hatte?
Auf dem Weg nach Stonington gab es einige kleine Städte. Mit etwas Glück könnten sie ein Krankenhaus aufsuchen und Demi behandeln, so gut es ihre Kenntnisse erlaubten. Der alte Mann hatte nicht viel davon erzählt, was mit dem Mädchen geschehen war. Er würde mit ihm reden müssen, wenn er Demi helfen wollte. Doch zuerst galt es, die Hügel, wie Murphy diese Landschaft hier bezeichnete, hinter sich zu lassen und den Highway in Richtung Küste zu erreichen. Zuvor würden sie die beiden alten Vehikel auftanken müssen, was sich als weiteres Problem entpuppen konnte, denn ohne Strom funktionierten die Pumpen der Tankstellen nicht. Doch darum würde Wulf sich kümmern, wenn es soweit war. Ein Gedanke jagte den nächsten und steigerte seine Furcht vor dem Ungewissen. Er musste Ruhe bewahren und die Parade grausamer und schreiender Gedanken zu zähmen versuchen.
Er blickte zu Daryll, der schweigend neben ihm saß. Er hatte die Knie angezogen und die Arme darum geschlungen. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos, sein Blick schien die Landschaft ringsum nicht wahrzunehmen.
Sie passierten einen verrosteten, auf einem morschen Pfahl sitzenden Briefkasten. Wulf konnte den Namen ›Jennings‹ erkennen. Plötzlich hörte er die Hupe von Murphys Wagen, ein blechernes Kreischen, das ihn an ›Die Waltons‹, eine Serie aus seiner Kindheit, erinnerte. Wulf bremste ab und wartete, bis Murphy hinter ihm zum Stehen kam. Er stieg aus und erreichte den alten Ford, als Murphy gerade selbst ausstieg. Demi blickte sich mit verschlafenen Augen um.
»Alles in Ordnung?«
Murphy schüttelte den Kopf und sah Wulf mit großen, angsterfüllten Augen an.
»Da unten. Siehst du das?«
Er nickte in Richtung eines kleinen Hauses, das sich am Ende eines Sandweges in das Grau der Landschaft einfügte. Es schien verlassen, die Fenster waren verbarrikadiert und der Garten verwildert. Doch dann erkannte Wulf die Gestalt auf der Veranda.
»Da ist jemand«, rief er. Doch Murphys Griff um seinen Arm ließ ihn verstummen.
»Mach keine große Sache daraus«, flüsterte Murphy mit einem Seitenblick auf Demi. Das Mädchen hatte sich wieder in die Decke gekuschelt und die Augen geschlossen.
»Aber wir müssen …«, begann Wulf erneut.
Murphy führte ihn einige Schritte vom Wagen weg.
»Das ist kein Überlebender«, sagte er in nüchternem Tonfall. In seinen Augen stand eine tiefe

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