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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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sah ihm in die Augen. »Wo ist sie jetzt?«
»Wir haben ihr ein Zimmer direkt am Empfang des Motels gegeben. So können wir jederzeit nach ihr sehen und hören, wenn sich etwas in ihrem Zimmer tut.« Shoemaker legte Wulf seine Hand auf den Arm. »Mehr können wir nicht für sie tun. Meg ist körperlich gesund.« Er tippte sich gegen die Stirn. »Da drin liegt das Problem. Dort hat sich bei Meg ein Abgrund aufgetan, der zu tief für das Mädchen ist.«
Während Shoemaker sich abwandte, warf Wulf einen Blick aus dem Fenster. Die beiden Frauen waren verschwunden. Die Straße war verwaist und erinnerte ihn an Kagan´s Creek. Einzig dünne Rauchfahnen, die aus den Schornsteinen einiger Häuser aufstiegen, zeugten davon, dass es Leben in dieser Stadt gab.
»Ich werde Sie jetzt alleine lassen«, sagte Shoemaker und stand bereits an der Tür. »Joshua wollte noch nach Ihnen sehen. Ich bin mir sicher, dass er gleich auftauchen wird.«
Wulf trat vor den Arzt und reichte ihm die Hand. »Ich danke Ihnen für Ihre Mühen, Doktor.«
Das Lächeln des Mannes wirkte verlegen und ehrlich. »Ich helfe, wo ich helfen kann. Aber tun Sie mir einen Gefallen, nennen Sie mich Howard. Das Zusammenleben ist einfacher, wenn man nicht auf Etikette achten muss.«
»Okay, vielen Dank, Howard.«
Shoemaker nickte und ging nach draußen. Wulf konnte hören, wie er mit jemandem einige Worte wechselte. Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und Joshua streckte den Kopf herein. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
Wulf öffnete die Tür und trat mit einer einladenden Geste zur Seite. »Ganz und gar nicht. Kommen Sie nur herein.«
»Wie ich sehe, hatten Sie einen gesunden Appetit.«
Wulf konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Dasselbe hat bereits der Doktor bemerkt.«
Joshua blieb vor dem Tisch stehen und warf Demi, die nun eingeschlafen war, einen fürsorglichen Blick zu. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie noch etwas unter sich bleiben wollen. Sie haben viel durchgemacht. Besonders die Kinder.« Er warf Daryll ein aufmunterndes Lächeln zu, das dieser bereitwillig erwiderte. »Dann will ich nicht länger stören. Morgen werde ich unsere kleine Festung näher vorstellen.«
Joshua tippte sich in der Manier eines Soldaten an die Stirn und schloss die Tür hinter sich. Wulf setzte sich zu Murphy und Daryll an den Tisch und betrachtete das Gesicht des alten Mannes. Er wirkte zufrieden, doch in seinen Augen glaubte Wulf eine nicht zu leugnende Skepsis zu erkennen.
»Was denkt ihr?«, fragte er und blickte dabei Daryll an.
»Also mir gefällt es hier«, antwortete dieser prompt und deutete mit dem Daumen über die Schulter auf Demi. »Und ihr auch. Das hat sie mir schon gesagt.«
»Murphy?«
Der alte Mann fühlte sich unter Wulfs herausforderndem Blick offenkundig unbehaglich.
»Es bleibt abzuwarten, ob die Menschen aus dieser ganzen Scheiße gelernt haben, oder ob sie sich immer noch wie dämliche Idioten aufführen.«
Wulf lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zu Daryll, der mit einem breiten Grinsen den Kopf schüttelte. So harsch die Worte des alten Mannes auch waren, er drückte auf seine für ihn typische Art genau das aus, was sie alle tief in ihrem Innern beschäftigte.
IV
Die Nacht war kurz, obwohl sie am späten Abend, als Wulf mit Daryll in das ihnen zugewiesene Zimmer gegangen war, die Erschöpfung der letzten Tage spürten und fast augenblicklich eingeschlafen waren. Murphy teilte sich mit Demi jenes Zimmer, in dem sie den Nachmittag verbracht hatten.
Trotz der Bequemlichkeit der Betten, deren Laken nach frischer Zitrone dufteten, und der lange vermissten Sicherheit einer kleinen Festung, als welche Wulf Mayfield sah, wachte er in der Nacht immer wieder auf, um dann mit offenen Augen im Dunkeln zu liegen und über die Ereignisse der letzten Stunden nachzusinnen. Er spürte eine innere Unruhe, die jedoch nichts mit der Furcht oder Hilflosigkeit zu tun hatte, der sie auf ihrer Reise ausgesetzt waren. Es war vielmehr ein brennendes Verlangen, mehr über diese kleine Enklave, ihre Funktionalität und die Menschen zu erfahren, die an diesem Ort lebten. Das Gefühl, sich zum ersten Mal seit Ausbruch der Katastrophe in Sicherheit zu befinden, erfüllte ihn mit einer Wärme, die er verloren zu haben glaubte. Er schloss die Augen, versuchte sich einem Schlaf ohne Furcht hinzugeben, dämmerte für wenige Minuten weg und lag gleich darauf wieder in der stillen Dunkelheit des Hotels und starrte in die Schatten der

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