Graues Land (German Edition)
Zimmern in einem grauen Haus?
Noch während ich ihr friedliches Gesicht betrachte, spüre ich, wie sich das warme Gefühl der Zuneigung in einen Ozean aus Eiskristallen verwandelt. Wie in meinem Traum, ist auch die Welt um mich herum nicht mehr still. Das tiefe Summen zieht einer düsteren Wolke gleich durch das Haus.
Kein Traum ...
Augenblicklich springe ich aus dem Bett und bleibe mitten im Zimmer stehen. Mein Atem geht schwer und droht meine Lungen zu zerbersten. Der Raum scheint zu schrumpfen und mich mit seinen grauen Wänden zu erdrücken. Mein Blick hastet zur Tür, die nur angelehnt ist. Durch den Spalt kann ich die Schwärze des Korridors erkennen. Dann starre ich zum Fenster. Fahle Lichtfäden dringen durch die schmalen Ritzen der Holzläden und wirken wie die Finger von Toten, die sich tastend ihren Weg ins Zimmer suchen. Ich kann Staubflocken im trüben Tageslicht schweben sehen. Grauen, schmutzigen Staub.
Das Raunen kommt von überall her. Es sickert durch die Wände und flutet den Raum mit seinem unheilvollen Murmeln, kriecht über die Decke und stürzt sich wie eine ausgehungerte Bestie auf mich. Selbst aus dem alten Holzboden steigt das Geräusch als sündhafter Nebel hervor und umschließt meinen zitternden Leib mit kalten Fingern. Es dauert eine ganze Weile, bis mein überforderter Verstand realisiert, dass das Summen von draußen kommt. Es steht über dem Haus, als würde etwas Gigantisches auf dem Dach kauern. Und es wird beständig lauter.
Ich werde an einen Heuschreckenschwarm erinnert, wie ich ihn in diversen Horrorfilmen gesehen habe, der sich, einer schwarzen, alles verzehrenden Wolke gleich, über das Land ausbreitet und die Sonne verdunkelt.
Dieser unsinnige Vergleich ist im Augenblick das Beste, was mir zu diesem Summen einfällt. Mit keuchendem Atem wirbele ich herum und laufe zum Gewehr, das neben der Schlafzimmertür an der Wand lehnt. Mit schnellen, einstudierten Handgriffen überprüfe ich, ob die Kammern geladen sind. Dann richte ich die Waffe in den leeren Raum und versuche herauszufinden, aus welcher Richtung sich das Geräusch nähert. Und - vor allem - was sich dem Haus nähert.
Hektisch drehe ich mich einmal um mich selbst. Das Murmeln verwandelt sich in ein gleichmäßiges Pulsieren, das die Luft zu zerteilen scheint, als würde etwas Großes über den Himmel pflügen. Meine Vorstellung von einem Heuschreckenschwarm löst sich in Luft auf. Plötzlich stelle ich mir resigniert vor, dass die Insekten vielleicht das angenehmere Übel gewesen wären, als das, was tatsächlich da draußen ist. Was ist, wenn die Shoggothen nicht die einzigen Ungetüme sind, welche die Erde ausgespien hat? Was für Monstrositäten mochten in den Lüften lauern?
Ich kann spüren, wie die Luft um mich herum zu vibrieren beginnt. Selbst hier, im abgedunkelten Schlafzimmer, das nur dürftig von den wenigen Strahlen Tageslicht erhellt wird, spüre ich die unsichtbaren Erschütterungen um mich herum. Sie streichen über mein Gesicht und meine Hände, als versuche die Luft selbst, mich zu liebkosen und mit ihren eiskalten Berührungen zu verführen. Mit erbarmungsloser Härte kriechen sie unter meine Kleidung. Das Gefühl, jedes Härchen einzeln ausgerissen zu bekommen, überkommt mich wie die Brandung eines dunklen Meeres.
Mein Blick fällt auf Sarah. Unbeeindruckt von der drohenden Gefahr atmet sie flach und ruhig. Wie sehr ich sie in diesem Augenblick beneide.
Als ich zum Fenster sehe, scheint der Staub in den schwermütigen Lichtstreifen wilder zu tanzen. Einer schrecklichen Ekstase gleich, erbebt der ganze Raum. Das Haus scheint in den Grundfesten zu erzittern. Der Tod tanzt in den grauen Ritzen der Fensterläden.
Etwas Gigantisches rollt über den Himmel.
Mir wird bewusst, dass ich nicht abwarten darf, bis dieses – Ding – sich auf das Haus stürzt um an das Fleisch zu gelangen, das es zweifelsohne wittert. Mit brüllendem Herzen renne ich zum Fenster, reiße die Flügel auf und werde im nächsten Moment von der ganzen Wucht des sonoren Brummens erwischt.
Das Glas in den Scheiben vibriert. Selbst der Fensterrahmen verschwimmt vor meinen Augen.
Ich löse die Verschlüsse der Holzläden, trete zurück, schließe für eine letzte Sekunde die Augen und atme tief ein. Doch es will mir nicht gelingen, meinen bebenden Körper zu beruhigen.
Mit einem krächzenden Aufschrei stoße ich die beiden Fensterläden nach außen, wo sie krachend gegen den Giebel prallen. Grelles Tageslicht strömt,
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