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Graues Land (German Edition)

Graues Land (German Edition)

Titel: Graues Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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den letzten zwölf Tagen der einzige Anker für mich gewesen war, kann mich nicht aus dem Sog dieser nie empfundenen und fremdartigen Angst retten. Die Welt schrumpft auf die Größe des dunklen Bildschirmes zusammen.
    Ich verstehe plötzlich die ausweglose Situation, in der ich mich befinde und die ich bislang stets zu leugnen versucht habe.
    Es gibt nichts mehr in den Hügeln und in der ganzen Welt, das mich aus dem stillen Grab meines Hauses hinausziehen kann. Das Schweigen, das sich uns mit jedem Tag mehr nähert, als würde sich ein Raubtier auf samtenen Pfoten heranpirschen, wird ewig währen und uns eines Tages mit einer Gleichgültigkeit verschlucken, wie es sich zuvor den Rest der Welt genommen hat.
    Die Welt hat sich endgültig weitergedreht.
    Es gibt nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt.
    Mein Blick fällt auf Sarah, deren Brust sich gleichmäßig hebt und senkt.
    Ich schäme mich für diesen letzten Gedanken. Doch er ist so wahr wie das Grau, das sich wie auslaufende Farbe über die Welt verteilt. So wahr wie das schwarze Display.
    Ich nehme das Handy, betrachte ein letztes Mal den toten, grauen Mann im Bildschirm, und werfe es gegen die dunkle Wand neben dem Fenster. Plastik zerbricht und etwas rollt über den Boden, ehe wieder Stille in dem kleinen Zimmer Einzug hält.
    Mit dem letzten Atemzug wird das Grau zu guter Letzt auch mich nehmen.

Barry
    I
    Meine Träume haben ihre Farben verloren. Ich gehe durch eine Welt, die mich still und kalt empfängt und deren Luft nach Moder schmeckt, als würde man den Kopf in einem mit Algen bewachsenen Teich unter Wasser stecken.
    Ohne meine eigenen Schritte zu hören, betrete ich Räume, deren Wände ebenfalls grau sind. Wenn ich den Kopf in den Nacken lege, verwandelt sich das Grau in zunehmender Höhe in ein flackerndes Schwarz, bis es sich in völliger Dunkelheit verliert. Eine Decke kann ich nicht erkennen.
    Der Geschmack von bitterem Kupfer und verschimmelten Nahrungsmitteln liegt wie ein dichter Pelz auf meiner Zunge und bringt mich zum Würgen. Meine Beine bewegen sich wie von selbst. Meine Arme, die Hände, nichts gehört mehr zu meinem Körper. Ich bin ein Geist in einer Geisterwelt; ohne Geräusche, ohne Farben.
    Ich weiß, dass ich mich in einem Traum befinde. Selbst an die Tatsache, dass ich Dannys Handy voller Frust gegen die Wand warf und das Gehäuse zerbrochen ist, kann ich mich erinnern. Auch daran, dass ich meinen Pyjama angezogen habe und mit Tränen in den Augen behutsam neben Sarah ins Bett gestiegen war, um sie nicht aufzuwecken.
    All das sehe ich deutlich vor mir, während ich mit schleppendem Gang durch dieses graue Land irre.
    Ich sollte aufwachen, denke ich mir, und versuche mich allein durch Gedanken dazu zu zwingen, diesem merkwürdigen Traum zu entfliehen.
    Aber war es überhaupt ein Traum?
    Wie konnte man in einem Traum wissen, dass man träumt? So etwas ist schlicht unmöglich, denn bisher hatte ich noch nie gewusst, dass ich mich in einem Traum befinde. All die schrecklichen Dinge, die ich in meinem Leben geträumt habe, bedeuteten in jenen scheußlichen Momenten die Realität für mich. So lange, bis ich schreiend aus diesen Alpträumen erwacht war.
    Und jetzt bin ich plötzlich in dieser sterilen, farblosen Welt gefangen und spüre, wie ich immer tiefer in ihren unheilvollen Sog gedrängt werde.
    Das kann kein Traum sein.
    Ich muss aufwachen, brüllt eine Stimme in höchster Verzweiflung in mir. Ich kann nicht zulassen, dass mich das Grau in seinen sterbenden Schoß lockt.
    Wie Ungeheuer ragen die schroffen Felswände grauer und schwarzer Berge um mich herum auf. Ich wandele in einem Tal voller düsterer Schatten, die, einer wogenden Flut gleich, über die finsteren Hänge auf mich zu gekrochen kommt. Der Himmel ist ein endloses schwarzes Tuch, das die schweigende Welt zu ersticken droht. Dann bin ich plötzlich wieder in einem Haus, ohne, dass da eine Tür gewesen wäre, durch die ich ging. Es ist mein Haus. Das Haus, das ich vor über vierzig Jahren für Sarah und mich in den Hügeln über Devon gebaut habe.
    Doch da ist nichts mehr, das eine Farbe aufweist. Die Tapeten, deren Blumenmuster nach Sarahs Wünschen stets kräftige Sommerfarben versprüht haben, besitzen die kalte Farbe von Asche. Die Bretter des Dielenbodens erscheinen mir wie das verwaschene Schwarz einer mondlosen Nacht. Selbst die Luft verbirgt sich hinter einem grauen, trüben Nebel, der den maroden Geruch des Todes mit sich trägt. Und überall herrscht

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