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Graues Land (German Edition)

Graues Land (German Edition)

Titel: Graues Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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diese unheimliche, verzehrende Stille.
    Das muss das Schweigen des Todes sein, denke ich und spüre eine eisige Kälte durch meinen Körper fließen.
    Kann man im Traum frieren?
    Wieder wird mir bewusst, dass ich mich selbst dabei beobachte, wie ich durch die Ruinen der alten Welt laufe. Der einzige Trost, den ich verspüre, ist die Tatsache, dass ich weiß, dass dies alles nur ein Traum ist. Ein realer, tiefgreifender und zermürbender Traum. Und doch will es mir nicht gelingen, mein anderes Ich aus diesem bleichen Nebel zu ziehen, der die grauen Berge und das graue Haus erfüllt.
    Vielleicht ist dies die erste Stufe des Todes, höre ich eine Stimme sagen, die meiner sehr ähnelt.
    Ist es möglich, dass man auf den Tod durch eine Traumreise vorbereitet wird? Kann ich mich deshalb nicht befreien, weil mich die kalten Klauen des Vergessens bereits festhalten und ihre Krallen sich tief in mein Empfinden und mein Denken gegraben haben? Wenn dies wirklich der Tod ist, so, wie wir ihn als Mensch verstehen und erleben wollen, dann kann ich nur sagen, dass ich ungemein erleichtert bin.
    In dieser neuen, schrecklichen Welt, die draußen vor dem Haus lauert und in der Kreaturen wie die Shoggothen ihr Unwesen treiben, habe ich mir den Tod als eine schwarze, Pest treibende Verrottung vorgestellt.
    Nie hätte ich zu träumen gewagt, auf eine derart sanfte und stille Weise den letzten Weg des Lebens antreten zu dürfen.
    Zum ersten Mal, seit ich mich selbst in dieser grauen Welt beobachtet habe, kann ich ein Lächeln auf meinem Gesicht erkennen.
    Doch die Welt ist nicht still ...
    Meine Augen versuchen die trübe Bleiche der Zimmer zu durchdringen. Meine Ohren lauschen in diese allgegenwärtige, erdrückende Stille, durch die sich plötzlich ein stetes Summen nähert. Im Traum bleibe ich stehen und drehe mich einmal um mich selbst. Das Grau der Wände verschwimmt zu einem rußigen Nebel, der mich an tanzende Dämonen erinnert. Das Geräusch scheint aus den tristen Farben zu sickern und die verderbliche Luft zu schwängern. Es lässt jedes Härchen auf meinem Leib erzittern.
    Ich verliere den Halt, pralle mit dem Rücken gegen die Wand des Zimmers, und kann selbst in meinem Traumgespinst den Schmerz spüren, der gleißend durch meine Schulter fährt. Durch die Nebelfetzen starre ich in eine Welt, deren Konturen verschwimmen, als würde sie sich unter Wasser befinden. Mit den Händen fahre ich über meine Augen, spüre die Schmerzen der Anstrengung hinter meinen altersschwachen Lidern.
    Ich muss raus aus diesem Alptraum, schreie ich mir selbst in stiller Verzweiflung zu. Dies ist nicht der Tod. Der Tod ist still...
    Das Summen wird lauter. Etwas bewegt sich auf das Haus zu.
    Mit Händen, die nicht meine sein können, greife ich nach dem Harv Jennings, der erstarrt an der grauen Wand in dem grauen Haus kauert. Die Finger bekommen den Stoff seines Pyjamas zu fassen. Selbst im Traum trage ich den Schlafanzug, den ich für gewöhnlich anhabe, da er eines der letzten Geschenke von meiner Sarah ist.
    Stoff raschelt, während meine Hände den grauen Mann derbe schütteln. Ich kann den Widerstand des erstarrten Körpers fühlen, als ich ihn aus dem Haus zerren will. Fort von den grauen Zimmern. Fort von dem unsäglichen Traum. Fort von dem unheimlichen Summen ...
    Ich beginne zu schreien. Ich kreische wie ein hysterisches Weib.
    Wach auf.
    Doch kein Laut zerteilt die Stille des Traumes. Nur dieses beständige, sich nähernde Brummen.
    Meine Hände packen den alten Leib fester. Sie ziehen, als versuchten sie den Arm vom Körper zu reißen ...
    Mit einem heißeren Schrei wache ich auf und blicke mich mit tränennassen Augen hektisch im fahlen Zwielicht des Zimmers um. Mein Herz rast, das Oberteil des Schlafanzuges klebt schweißnass an meinem Oberkörper. Meine Brust hebt und senkt sich in rascher Folge.
    Die bleichen Schatten des Mobiliars im Zimmer erscheinen mir verschwommen, als würde die Luft im Sommer über dem Asphalt flirren. Ich presse die Augen zusammen und spüre die angenehme Kühle der Tränen. Aber auch eine schwere Müdigkeit, die sich hinter den Lidern verbirgt. Ich frage mich plötzlich, ob ich in der Nacht überhaupt geschlafen habe oder ob mein Traum vielleicht doch einer abartigen Wirklichkeit entsprach.
    Mein Blick findet Sarah, deren Brust sich kaum merklich, doch regelmäßig, hebt und senkt. Ihre Augenlider flackern, als betrachte sie Bilder in ihren Gedanken, die nur sie selbst sehen kann. Träumt sie von grauen

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