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Graues Land (German Edition)

Graues Land (German Edition)

Titel: Graues Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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wohl ebenso wenig verleugnen kann wie ich. Sonst ist es still.
    Man redet oft von einem Tuch, das sich über ruhige Orte legt und jegliche Geräusche absorbiert. Hier in Devon kann ich das Tuch greifen und bis über meinen Kopf ziehen. Ein tiefes, gespenstisches Schweigen hängt über den Dächern und Straßen der Stadt. Ich bilde mir sogar ein, diese Stille hören zu können. Als ein beständiges, tiefes Summen in meinem Kopf. Doch ich glaube, dass ich lediglich mein eigenes Blut durch die Venen rauschen höre.
    Die Straßen sind verwaist, die Geschäfte dunkel. An einer Ecke, einige Meter vor uns, flattert ein zerrissener Vorhang aus einem geborstenen Schaufenster. Die wellige, träge Bewegung im kühlen Wind wirkt fehl am Platz und zerstört das idyllische Gemälde des Todes.
    Ich kann offene Haustüren sehen, in deren Eingängen sich braune Blätter angehäuft haben. Eingeschlagene Fenster, die starr und düster auf die Straße blicken. Papier und leere Tüten werden über den Asphalt getrieben, vom Wind gepackt und in die Höhe gewirbelt. An den Häuserwänden haben sich Gras und abgerissene Zweige zu Haufen aufgeschichtet.
    Über allem hängt ein penetranter Gestank, der mich an die Abfalltonnen hinter meinem Haus erinnert. Ich versuche mir einzureden, dass der Geruch lediglich von verdorbenen Lebensmitteln und Abwasserkanälen herrührt. Doch eine Stimme in mir schreit unentwegt, dass sich darunter der widerliche Gestank von verwesendem Fleisch gemischt hat.
    Ich spüre Barrys Blick auf mir und drehe mich zu ihm. Seine Augen blicken traurig und liegen tief in ihren Höhlen. Die Lippen sind zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
    »Wir sollten hier nicht länger bleiben als unbedingt notwendig.«
    Seine Stimme klingt klein und verloren, die Worte werden von der unheimlichen Stille der Stadt fortgetragen.
    Ich nicke und lege meine Hand auf den Kolben des Gewehrs.
    »Fahr zu `Tenberries´ . Da bekommen wir alles, was wir brauchen.«
    Als Barry den Wagen wieder startet und der altersschwache Motor unter Protest zu klapperndem Leben erwacht, lehne ich meinen Kopf gegen das Seitenfenster und lasse meinen Blick über die Häuserfassaden gleiten, die wie eine Allee des Todes an uns vorbeiziehen.
    Früher waren wir an eben diesen Häusern mit unseren Mädchen im Arm vorbeigeschlendert. Der Schein der Straßenlaternen hatte sanfte Pfützen aus Licht auf dem Bürgersteig gebildet. Aus den Häusern war der Duft von frisch gekochtem Gemüse und das unbeschwerte Lachen von Kindern gedrungen.
    In einem der Häuser hatte stets ein Baby geweint, wenn wir uns auf dem Weg zu unserem Lieblingsrestaurant befunden hatten. Ich erinnere mich noch daran, wie traurig Sarah stets zu dem Fenster geschaut hatte, hinter dessen zugezogener Gardine das Kind schrie.
    Als wir jetzt an diesem Haus vorbeifahren, fällt mein Blick auf dunkle, verlassene Fenster und eine Haustür, die schief in ihren Angeln hängt. Eine leere Plastiktüte hängt an der Klinke und winkt mir verloren im Wind zu.
    Ich schließe kurz die Augen, um die Erinnerung an Sarahs traurige Augen der Vergangenheit zu verdrängen. Im Hintergrund glaube ich das Baby schreien zu hören. Als ich sie wieder öffne, ziehen die grauen Häuserfronten wie ein endloses Band an mir vorbei, ohne dass ich sie wirklich wahrnehme. Alles liegt in tiefen, deprimierenden Schatten. Das Gefühl, an uralten, lange aufgegebenen Ruinen entlang zu fahren, packt mich und lässt mein Herz zu Eis gefrieren.
    Eine matte Müdigkeit überkommt mich. Die Welt um mich herum beginnt sich zu drehen. Gedanken an Sarah und Demi versuchen sich ihren Weg aus dem Sumpf meines Verstandes an die Oberfläche zu graben. Doch noch ehe mich die Furcht um meine beiden Mädchen packen kann, bemerke ich eine Bewegung zwischen zwei niedrigen Wohnhäusern auf einem unbebauten, mit Gras und Buschwerk zugewachsenen Grundstück. Schlagartig verkrampft sich mein Körper. Das Atmen fällt mir schwer.
    Dort, inmitten der Wiese, in den Schatten eines verkrüppelten Baumes, steht ein kleines Mädchen. Ihr langes Haar weht wie Spinnweben im Wind, und ihr Kleid, das einmal gelb gewesen sein muss, jetzt aber mit dunklen Flecken übersät ist, flattert an ihrem ausgemergelten Leib. Sie sieht zu uns herüber und dreht ihren Kopf mit der Geschwindigkeit des Wagens mit. Ihre Haut ist so bleich wie die einer Toten. Wie in Zeitlupe hebt sie einen Arm, als wolle sie nach uns greifen. Ich werde auf grauenvolle Weise an Cindy erinnert. Trotz

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