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Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Titel: Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
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gegenüberliegenden Seite des tief
eingeschnittenen Seitentals erhob. Das markante und rustikale Gipfelkreuz des
nahen Neunerköpfles war aus dieser Perspektive jedoch vom Hang des Vogelhorns
verdeckt. Stattdessen waren an schönen Tagen die unzähligen Bergwanderer auf
dem schmalen Pfad zu sehen, der knapp 30 Höhenmeter oberhalb der Hütte am Hang
entlang weiterführte. Die meisten Wanderer, das wusste Josefina, scheuten den
beschwerlichen Aufstieg und benutzten deshalb die Seilbahn, von deren
Bergstation aus es nur noch ein paar anstrengende Serpentinen bis zur Spitze
des Neunerköpfles hinaufging, wo sich Touristen auf einer riesigen Schreibwand – angeblich dem größten Gipfelbuch der Welt – verewigen konnten.
    Der
viel begangene Bergpfad, der sich auf dem schräg nach Südosten abfallenden
Vorgebirgsmassiv traumhaft dahinschlängelte, mündete bei der Landsberger Hütte
in den Abstieg zum Vilsalpsee. Josefina sah bereits einige Wanderer, deren rote
Jacken im Sonnenlicht weithin leuchteten. Sie warf einen Blick auf die
Armbanduhr: 10.10 Uhr. Die Seilbahn war seit mehr als eineinhalb Stunden in
Betrieb. Eigentlich hätte Karin längst da sein müssen.
    Josefina
ging in die Hütte zurück, wo die Holzdielen unter ihren Schritten knarrten.
Beinahe hätte sie vergessen, das große geschnitzte Kruzifix zu schmücken, das
sich aus einer Zimmerecke schräg den Gästen entgegen neigte. Sie holte aus dem
Vorraum drei farbenfrohe Primeln und stellte sie auf die hölzerne Wandablage zu
Füßen des leidenden Heilands.
    Noch
einmal warf sie einen prüfenden Blick auf den schmalen Bergpfad, der sich im
Steilhang abzeichnete. Doch Karin war noch immer nicht in Sicht. Josefina versuchte,
ihre aufkommende Unruhe zu verdrängen. Aber Karin war noch nie unpünktlich
gewesen. Nie, in all den Jahren. Ihr bedeuteten diese regelmäßigen Treffen sehr
viel – gerade diesmal, in diesem ominösen Jahr 2012, mit dem sie sich
auf besondere Weise auseinandersetzen wollten.
    Josefina sah innerhalb einer Minute erneut nervös auf
die Uhr. War Karin etwas zugestoßen? Mit jedem Ticken des Sekundenzeigers wurde
ein seltsam ungutes Gefühl deutlicher zu spüren. So etwas, wie eine böse
Vorahnung. Oft schon hatten sie genau über solche Dinge diskutiert. Gab es
Signale und Botschaften, die auf ein Unheil hindeuteten? Konnte man spüren,
wenn ein emotional nahestehender Mensch in Gefahr war? Karin hatte in solchen
Gesprächen immer die Meinung vertreten, dass es Telepathie und Vorausahnungen
gab.
    Josefina schloss die Augen und versuchte, auf innere
Stimmen zu hören. Doch es fiel ihr schwer, zwischen all dem, was ihr das Gehirn
in rascher Folge präsentierte, etwas herauszufiltern – zwischen undefinierbaren Ängsten, Vernunft und wilden
Spekulationen. Weil die Hütte in einem Handy-Funkloch stand, würde Karin
natürlich auch nicht anrufen können. Trotzdem holte Josefina ihr Handy und
prüfte das Display, um festzustellen, dass wenigstens der Akku geladen war.
Eine Netzverbindung gab es auch heute nicht. Sie erwog kurz, einige Höhenmeter
den Hang hinaufzusteigen, um Karin anzurufen. Doch dann verwarf sie den
Gedanken wieder. Karin sollte sich nicht gedrängt fühlen. Sie war ohnehin sehr
sensibel.
    Vieles in der Vergangenheit hatte tiefe Spuren in ihrer
Psyche hinterlassen und genau solche Momente nährten finstere Erinnerungen.
Schon drei Menschen › die in den vergangenen elf Jahren, seit es diese ›Treffen
zwischen Himmel und Erde‹ gab, regelmäßig dabei gewesen waren, lebten nicht mehr.
Alle hatte sie hier oben als warmherzige und optimistisch gestimmte
Persönlichkeiten kennen und schätzen gelernt. Doch dann waren sie innerhalb von
drei Jahren bei tragischen Verkehrsunfällen getötet worden. Nächtelang waren
diese dramatischen Ereignisse Mittelpunkt heißer Diskussionen gewesen.
    Karin wollte seit dem Flugzeugabsturz von vor beinahe 14
Jahren ohnehin an keine Zufälle mehr glauben, sondern war der felsenfesten
Überzeugung, dass nicht nur das Universum, sondern auch alles Leben irgendwelchen
vorherbestimmten Gesetzmäßigkeiten unterlag. Wie ein Film, in dem ein großer
Regisseur allem und jedem seine Rolle zugewiesen hatte. Und dieser Film, so
hatte sie einmal gesagt, war schon gedreht und wurde lediglich noch abgespielt.
Und manche Menschen verfügten über die Gabe, bereits abgelaufene oder noch
kommende Sequenzen zu ›sehen‹.
    Josefina
hatte während dieser Gedanken die Tür zu einem engen Nebenraum geöffnet,

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