Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Rettungsdienste geglaubt,
sie sei lediglich ohnmächtig geworden.
»Können
Sie sich denn entsinnen, dass sie etwa 20 Minuten zuvor hochgefahren ist?«,
hakte der Beamte nach, der sich als Chefinspektor Paul Grantner vorgestellt
hatte und seinen Wiener Dialekt nicht verheimlichen konnte.
»Ich
habs Ihnen doch schon g’sagt«, wurde Obermoser etwas ärgerlich. »Ich kann mich
nicht erinnern. Wir haben um halb neun ang’fangen, und da sind gleich einige
Leute hoch g’fahr’n. Wenn die Gäste gut zu Fuß sind, brauch’n die keine
Einstiegshilfe. Sie hocken sich rein und ich schau nicht nach.« Er kratzte sich
im schwarzen Vollbart. »’s geht doch alles automatisch. Sie kaufen ihr Ticket
und geh’n damit durch das Drehkreuz. Fertig.«
»Die Gondeln
sind zwölf Minuten unterwegs bis nach oben«, konstatierte Grantner, während
sein deutlich jüngerer Kollege, ein Abteilungsinspektor, Notizen machte. »Dann
brauchen s’ auch zwölf Minuten, bis sie wieder unten san.«
»So ist
es. Allerdings müssen Sie bedenken, dass das Auskuppeln für den Aus- und
Einsteigevorgang auch etwa eine Minute dauert.«
»Okay,
also 25 Minuten, bis die Gondeln wieder hier sind«, sagte Grantner, um noch
einmal anzusprechen, was auch schon erläutert worden war: »Leider ist Ihre Kollegin,
die die Tickets verkauft, ebenfalls nicht in der Lage, etwas über die Frau zu
sagen.«
Obermoser
sah sich bemüßigt, das Mädel am Schalter in Schutz zu nehmen: »Da hocken S’
doch nur hinter der Glasscheib’n und schau’n nach’m Geld. Gesichter sind unwichtig.«
Er grinste. »Es sei denn, denk ich mal, es kommt ein knackiger Bursch daher.«
Grantner
fand das gar nicht komisch. Er bedankte sich mürrisch für das Gespräch und ließ
keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Konversation beendet war. Obermoser
verließ den stickigen Raum, worauf Grantner ihm folgte und die nächste Person
hereinbat.
Ein
Mann im frühen Rentenalter, schnauzbärtig und mit faltigem Gesicht und blauer
Schildmütze, bewegte seinen fülligen Körper zu einem Bürostuhl, der unter
seinem Gewicht knarzte. Er nannte artig seine Personalien, wodurch die
Kriminalisten erfuhren, dass er Willi Motatsch hieß.
»Sie
sind derjenige, der die Fahrgäste oben aus der Gondel holt«, kam Grantner
gleich zur Sache.
»Ich?«,
staunte Motatsch und lehnte sich kräftig gegen die Stuhllehne. »Geholf’n wird
nur, wenn die Leut’ gebrechlich sind. Ich sitz in meinem Büro und überwach’ den
Betrieb. Der normale Touri«, er grinste ob dieser Formulierung, »kommt ohne
fremde Hilfe aus der Gondel raus. Wenn jemand nicht mal das schafft, sollte er
lieber unten bleib’n.«
Grantner
ignorierte diese Bemerkung. »Aber Sie steh’n doch da ob’n hinter Ihrer
Glasscheib’n und schau’n, ob alles läuft.«
»Ja,
aber ich kann nicht jeden Fahrgast anschau’n und prüf’n, ob er gut drauf ist.
Ich hab auch noch andres zu tun.«
Der
Chefinspektor betrachtete sein Gegenüber streng. »Sie brauch’n Ihre Antworten
nicht zu kommentier’n.«
Auch der junge Kriminalist sah jetzt streng auf, als
wolle er die Autorität seines Chefs bekräftigen.
»Sie merken also nicht, wenn ein Fahrgast sitzen bleibt
und sozusagen im Kreis rum fährt«, fasste Grantner verärgert zusammen. »Die
Gondeln klinken sich doch aus und werden ganz langsam zum Startpunkt
transportiert … « Er kannte solche Anlagen aus eigener
Erfahrung, zumal er bereits viele Male auch zum Neunerköpfle hochgefahren war.
»Wenn, wie heut’ früh, nicht viel los ist, hock ich doch
nicht immer da und schau, ob da jemand wieder runterfährt. Um diese Zeit ist
sowieso keiner da, der runterfahr’n will.«
»Umso
mehr müsste Ihnen doch auffallen … «, warf
Grantner ein.
»Ist es
mir aber nicht«, unterbrach ihn Motatsch ebenso verärgert. »Ich hab doch schon
alles Ihren Kollegen von Grän g’sagt. Ich bin erst aufmerksam g’word’n, als mir
dieser Mann, der mit in der Gondel war, beim Aussteigen zug’ruf’n hat, der Dame
sei’s schlecht g’word’n und sie würd wieder runterfahr’n.«
Die
beiden Kriminalisten sahen sich verwundert an. »Oh, Sie haben also doch was
g’seh’n? Das hat uns noch niemand g’sagt«, meckerte Grantner, während sein
Kollege verlegen mit den Schultern zuckte. Motatsch schwieg.
»Gut«,
gewann Grantner wieder seine Fassung, »da gab es also einen Mann, der mit ihr
hochgefahren ist.«
»So
will ich das nicht gesagt haben«, blieb Motatsch standhaft. »Er hat mir das
zwar
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