Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Straßenseite. »Ist was passiert?«
Häberle
und Linkohr blieben vor ihm stehen. »Sie kennen die Frau Waghäusl?«, fragte der
Chefermittler zurück und stellte sich und seinen Kollegen vor.
Der
Nachbar, der seinen Namen mit ›Mack‹ angab und kein Einheimischer zu sein
schien, fühlte sich durch Häberles Interesse geschmeichelt. »Seit sie hier
wohnt, kennen wir uns, ja.«
»Und
seit wann ist das?« Häberle musterte sein Gegenüber. Er schätzte ihn auf Mitte
40. Vom Körperbau her war er jedenfalls kein Alb-Bauer, der bei Wind und Wetter
auf einem alten Traktor hockte, sondern eher ein Verwaltungsmensch. Finanzamt,
durchzuckte es Häberle. Seltsamerweise musste er immer ans Finanzamt denken,
wenn er Personen dem Moloch Bürokratismus zuordnete. Und davon gab es sehr
viele.
Er
vertrieb diesen Gedanken, weil es nicht um Mack ging, sondern um das, was er zu
berichten wusste.
»Sie
wohnt seit der Fußballweltmeisterschaft hier. 2006 – deshalb weiß ich das genau«, ereiferte sich der Mann. »Sie hat damals das Haus
gekauft, nachdem es lange Zeit leer gestanden hat. Vor den Fußballübertragungen
hab ich ihr meist noch ein bisschen geholfen, den völlig verwilderten Garten zu
pflegen.«
»Woher
kam Frau Waghäusl denn?«
»Aus
der Schweiz. Traurige Geschichte, kann ich Ihnen sagen.« Er verstummte, weil er
die Reaktion der beiden Kriminalisten abwarten wollte.
»Traurige
Geschichte?«, wiederholte Linkohr fragend.
»Ja«,
fuhr Mack zufrieden fort, »ihr Mann ist damals in Halifax abgestürzt. Er war
irgend so ein Bank-Manager. Und dann ist sie, seine Frau, hierher gezogen, weil
sie doch aus der Gegend von Göppingen stammt.«
Die
Kriminalisten versuchten, sich aus den aufgeregten Schilderungen ein Bild zu
verschaffen. »Absturz in Halifax?«, fragte Häberle nach.
»Eine
Swissair-Maschine. Auf dem Heimflug ist er damals gewesen. Und dann Rauch im
Cockpit – und das tragische Ende. Halifax, das muss irgendwo in Kanada
sein.«
Linkohr
prägte sich den Ortsnamen ein, um später im Internet recherchieren zu können.
»Was
wissen Sie sonst noch von ihr?« Häberle verschränkte die Arme vor der Brust.
»Es
gibt eine Tochter, deren Namen etwas komisch klingt.« Noch bevor er weiterreden
konnte, übertönte ihn eine Männerstimme vom Haus her: »Chef!« Es war ein
Beamter der Spurensicherung, der unter der offenen Tür stand. »Wir haben da
was. Könntet ihr mal kommen.«
Häberle
winkte ihm zu. »Okay, noch eine Sekunde.«
»Diese
Tochter«, fuhr Mack eifrig fort, »hat einen reichen Hotelier in Österreich
geheiratet.«
Häberle
nickte und drängte auf Eile. Er bat Linkohr, die Personalien Macks aufzunehmen
und stellte noch eine letzte Frage: »Hat Frau Waghäusl gelegentlich Besuch?«
Macks
Redseligkeit schlug in Misstrauen um. »Was geht hier eigentlich vor?« Er
zögerte. »Was ist mit Frau Waghäusl? Ist ihr etwas zugestoßen?« Er sah die
beiden Kriminalisten verunsichert an, als erwarte er das Schlimmste.
»Das
herauszufinden, sind wir hier«, antwortete Häberle schnell, um hartnäckig zu
bleiben: »Hat sie gelegentlich Besuch?« Er musste sich konzentrieren, nicht in
der Vergangenheitsform zu reden.
Mack
schüttelte seinen stoppelhaarigen Kopf. »Da gibt es niemanden, der regelmäßig
gekommen wäre – zumindest nicht so, dass es mir aufgefallen wäre.« Er überlegte,
während Häberle sich bereits entfernte. »Sie hat sich aber«, begann er wieder,
»für Dinge interessiert, die nicht jedermanns Geschmack sind.«
Häberle blieb stehen. »Wie darf man das verstehen?«
»Man muss das verstehen«, Mack war es sichtlich
unangenehm, es überhaupt anzusprechen, »aber der Flugzeugabsturz ihres Mannes – das war nicht einfach für sie. Da hat sie … ja es ist schließlich nichts Unrechtes, wenn man das
sagt … da hat sie sich mit so übersinnlichen
Sachen befasst.«
Häberle hob eine Augenbraue, ohne etwas zu sagen.
»War diesen Dingen gegenüber aber auch kritisch
eingestellt«, beeilte sich Mack anzufügen, um Frau Waghäusl nicht ins Zwielicht
geraten zu lassen. »Besonders das Geistheilen war ihr suspekt.«
»Geistheilen?«,
staunte Linkohr, worauf sich Häberle endgültig von den beiden löste und ins
Haus ging.
»Spirituelles
Heilen. Beten. Hand auflegen und so«, erklärte Mack. »Da gebe es viele
Scharlatane und Geschäftemacher, hat sie erst kürzlich noch geschimpft. Ich
hatte den Eindruck, dass sie sich einerseits ernsthaft mit solchen Sachen
befasst, andererseits aber
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