Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Sessel her, öffnete den
grauen Aktendeckel und zog aus einer Klarsichthülle ein Magazinheft heraus,
dessen erste drei Seiten nach hinten geschlagen waren. »Ein merkwürdiges
Inserat. Musst du mal lesen. « Specki hielt es Häberle hin.
Der
Chefermittler erkannte sofort, dass formatfüllend ein Gebetbuch abgebildet war,
in dem ein rotes Lesezeichen steckte. Aufschrift: »Empfohlene Reiselektüre für
alle, die noch billiger fliegen wollen.«
»Das Ding ist zwei Tage nach dem Absturz im Züricher
Tagesanzeiger und in der Berner Zeitung erschienen – in der Wochenendbeilage, diesem Magazin hier«, erklärte
Specki und klappte das Heft zur Titelseite um. Dort prangte formatfüllend das
von Wind und Wetter gegerbte Gesicht eines Mannes, der eine Zigarette rauchte.
»Mario Birchner arbeitslos« stand zu lesen. »Hier«, Specki deutete oben links
auf das Kleingedruckte. »Nummer 36 für die Woche vom 5. bis 11. September. Für
Tagesanzeiger und Berner Zeitung.« Er schob das Magazin wieder so wie es war in
die Hülle zurück.
Häberle
sah bereits, dass auch der Tagesanzeiger in einer Klarsichthülle archiviert
war. Specki zog die leicht vergilbte Zeitung heraus, die an jenem 5. September,
einem Samstag, getitelt hatte: SR 111 wich vom direkten Anflug ab . Im
kursiven Vorspanntext hieß es: Statt direkt den Flughafen von Halifax
anzusteuern, flog die verunglückte MD-11 der Swissair noch eine Schlaufe über
das Meer.
»Die Dame hat ihren Mann dabei verloren«, erklärte
Häberle leise, was jetzt auch den zweiten Kollegen der Spurensicherung
hellhörig werden ließ. Er war gerade kniend dabei, ein Schranktürchen zu
öffnen. »Wenn du Pech hast, darfst du dich noch mit diesem Absturz
beschäftigen«, sagte er und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Häberle schwieg. Ihm war es jetzt nicht danach, eine
alte, bereits leicht angegilbte Zeitung zu lesen. Schon gar nicht nach zwei
Weizenbier und an einem Tag, an dem er sich einen längeren Feierabend hatte
gönnen wollen. Specki sortierte die Zeitung wieder ein. »Dann gibt es da einen
Schnellhefter mit einem Sammelsurium über seltsame Zufälle«, fuhr er fort und
hob die entsprechende Akte hoch. »Aber das hier«, er zeigte auf einen anderen
Ordner, den er auf die Couch gelegt hatte. »Da gehts um all das Zeug, das bei
diesen unseligen Kaffeefahrten verkauft wird. Sie hat wohl Einladungen zu
diesen dubiosen Ausflugsfahrten gesammelt. Einiges sieht so aus, als sei sie
selbst dabei gewesen. Sie hat sich nämlich Notizen gemacht.« Specki ließ die
Seiten durch seine behandschuhten Finger gleiten und hielt inne, wenn
handschriftliche Anmerkungen auftauchten. »Sogar Adressen hat sie notiert. Hier
beispielsweise in Bregenz, Ehingen, Esslingen, Ulm und Innsbruck.«
Linkohr, der jetzt dazu kam, zeigte großes Interesse,
zumal sich dies alles mit den Schilderungen Macks deckte. »Es sieht so aus, als
ob sich unsere Frau Waghäusl nicht nur mit Spuk und bösen Geistern befasst hat – sondern mit ziemlich realen.«
»…
bösen Geistern, meinen Sie«, ergänzte Häberle Linkohrs Feststellung. »Und einer
davon hat sie jetzt womöglich ins Reich der Geister geholt.«
»Oder zu den verblichenen Ahnen«, meinte Specki, der
einen weiteren Aktenordner vorlegte: »Da« – er blätterte schnell durch – »da hat einer wohl einen kleinen Stammbaum angelegt.
Hier die Waghäusls bis zurück zu einem Georg, geboren 1919 in Kernen im
Remstal, Winzer von Beruf.« Specki fand eine weitere skizzierte Aufstellung,
die allerdings nicht abgeschlossen zu sein schien: »Und hier geht’s oben mit
einem Alfred Platterstein los, geboren 1919 in Bad Waldsee. Der hatte wohl eine
Schwester, die noch leben müsste – so, wie dies hier dokumentiert ist.« Specki fügte an:
»Zumindest hat sie wohl noch gelebt, als diese Ahnengalerie angefangen wurde.«
Häberle seufzte. »Ich will weder was mit Spuk und bösen
Geistern zu tun haben noch mit Verbrechen, die längst verjährt sind.«
»Ich
kann’s dir nicht ersparen«, entgegnete Specki. »Ich werd die Ahnenliste
durchgehen und sie dir mailen.«
24
Der junge Mann mit dem Vollbart
wirkte nervös. Immerhin hatte er einen langen Arbeitstag an der Seilbahn-Talstation
hinter sich – und nun saß er im Büro des Betriebsgebäudes zwei Beamten des
Landeskriminalamts Innsbruck gegenüber. Zum dritten Mal schon schilderte Sepp
Obermoser, wie er am Vormittag die Gondel mit der leblosen Frau hatte
heranschweben sehen. Er habe noch beim Eintreffen der
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