Grave Mercy Die Novizin des Todes
die Lippen. »Isabeau ist endlich eingeschlafen«, sage ich. »Wir wollen sie doch nicht wecken.«
Das zügelt Duvals Zorn ein wenig, aber seine Halsschlagader pulsiert noch immer hektisch und sprunghaft.
»Ich kann nicht glauben, dass sie das getan hat.« Der Unterton von herzzerreißendem Kummer in Annes Stimme ist schwerer zu ertragen als Duvals Zorn. »Sie soll meinen Interessen dienen, nicht ihren eigenen.«
Ein gequälter Ausdruck gleitet über Duvals Gesicht, als bekümmere es ihn, dass sie diese unerfreuliche Lektion so jung lernen musste. »Euer Hoheit haben genug Erfahrung mit dem bretonischen Hof, um zu wissen, wie wenig auf solche Haltungen zu geben ist.«
»Aber sie war meine Gouvernante«, wendet Anne ein. »Ich war ihre Schutzbefohlene. Nicht die Schatzkammer oder die Truppen des herzoglichen Haushalts.«
»Um der Liebe Mortains willen, würde mir bitte irgendjemand verraten, was geschehen ist?«, frage ich.
Duval reißt den Kopf herum und spießt mich mit seinem eindringlichen Blick förmlich auf. »Habt Ihr keine Befehle vom Kloster erhalten?«, fragt er.
»Nein! Warum?«
»Vielleicht klappt das mit Eurer Krähe nicht richtig«, murmelt er.
Ich tue seinen Seitenhieb auf das Kloster ab und wende mich der Herzogin zu. »Was ist geschehen?«
»Meine Gouvernante, Madame Dinan, hat eine Verlöbnisvereinbarung zwischen meinem Vater und Graf d ’ Albret aus dem Hut gezogen. Eine, die ich anscheinend unterschrieben habe.«
Das ist wirklich und wahrhaftig eine Katastrophe. Ich sehe schnell zu Duval hinüber und er nickt bestätigend. Bisher waren alle Verlöbnisvereinbarungen mündlich, was ihnen vor den Augen des Gesetzes allen das gleiche Gewicht verliehen hat. Aber wenn es eine unterzeichnete Vereinbarung mit d ’ Albret gibt, könnte das juristisch durchaus bindender sein. Die Herzogin könnte vielleicht keine andere Wahl haben, als den brutalen Mann zu heiraten. »Hattet Ihr eine Chance, mit ihnen über Eure Pläne mit dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs zu sprechen?«
Duval und die Herzogin tauschen einen Blick, einen, der mir nicht im Mindesten gefällt. »Sie wollten nichts davon hören«, sagt er. Er hebt den Finger und droht mir spielerisch. »›Nicht so schnell‹, haben sie gesagt. ›Ihr habt Euch darin geirrt, dass die Engländer Hilfe schicken, Ihr habt uns falsche Hoffnungen mit Nemours gemacht, wir werden jetzt die Entscheidungen treffen, und Ihr werdet sie lediglich ausführen.‹«
»Es ist noch schlimmer als das«, erklärt die Herzogin, die Duval mit dem Blick folgt, während er weiter im Raum auf und ab geht. »Sie haben Gavriel mit ihren verlogenen, verbogenen Zungen ausgepeitscht und ihm die Schuld an Nemours’ Tod gegeben.«
»Was?«
Duval lässt den Kopf sinken und reibt sich mit den Handballen die Augen. »Sie sagten, es sei meine Schuld, dass ich Nemours’ Anwesenheit geheimgehalten habe, dass ich ihm kein größeres Kontingent an Wachen gegeben habe.«
»Habt Ihr darauf hingewiesen, dass Nemours vollkommen sicher war, bis der Kronrat von seiner Existenz erfuhr?«
»Oh ja, und Ihr könnt Euch vorstellen, wie gut das angekommen ist. Marschall Rieux wäre beinahe über den Tisch gesprungen, um mich zu schlagen, und er hätte es auch getan, hätte Crunard ihn nicht zurückgehalten.«
Wir schweigen alle, während wir das volle Ausmaß dieser Katastrophe bedenken. Als die Herzogin schließlich das Wort ergreift, ist ihre Stimme voller Verzweiflung. »Gewiss gibt es doch irgendetwas, was wir tun können.«
»Oh, es gibt viel, was wir tun können«, entgegnet Duval grimmig. »Aber jede Tat wird ihren Preis haben. Wir können jetzt beginnen, mit dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs zu verhandeln und den Kronrat zum Teufel schicken, aber das wird sie nur noch mehr gegen mich aufbringen. Wir können dem Konzil schreiben und darauf hinweisen, dass die Übereinkunft ohne Eure Zustimmung getroffen wurde und das Ihr keine Ahnung hattet, was Ihr da unterschrieben habt.«
Anne hält in ihrem Auf und Ab inne und wirbelt zu Duval herum; Entschlossenheit steht ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ja!«, sagt sie. »Wir werden beides tun.«
»Der Rest des Kronrates wird nicht erfreut sein. Sie denken bereits, dass Ihr und ich zu viel zusammenstecken und dass ich meine Befugnisse überschreite. Sie könnten ihre Drohung wahr machen und mich aus Euren Versammlungen ausschließen.«
Die Herzogin reckt das Kinn vor. »Dann werde ich mich unter vier Augen mit Euch
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