Grave Mercy Die Novizin des Todes
beraten.«
Duval verbirgt ein Lächeln. »Also schön. Ich werde eine informelle Begegnung mit dem Gesandten des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches für morgen arrangieren, und wenn Ihr mir zeigt, wo Ihr Feder und Tinte aufbewahrt, werden wir Euren Brief an das Konzil verfassen. D ’ Albret soll Euch nicht bekommen. Nicht solange ich noch atme.«
In dem Moment überläuft mich ein Schauder, und ich wünschte, Duval hätte ein solches Gelübde nicht abgelegt. Es ist niemals klug, die Götter zu verspotten.
Fünfunddreißig
ICH SOLL HEUTE MORGEN der Herzogin aufwarten, aber als ich am Wintergarten ankomme, lässt Madame Dinan mich nicht hinein. Sie informiert mich darüber, dass Isabeaus Zustand sich im Laufe der Nacht verschlechtert habe und das Anne bei ihr sei. Ihre Weigerung, mir Zutritt zu gewähren, ist scharf und vielsagend und dazu gedacht, mir klarzumachen, dass ich nicht willkommen bin. Niemals.
Die alte, vertraute Scham erstickt mich beinahe, als ich in mein Zimmer zurückkehre. Duval ist davongegangen, um sich mit dem Gesandten zu treffen, daher kann ich meinen Ärger und meine Frustration nicht bei ihm abladen. Stattdessen verbringe ich den Morgen damit, mich um meine Waffen zu kümmern: Ich öle und schärfe die Klingen, ersetze die vergifteten Perlen in meinem Haarnetz und mache mich ganz allgemein bereit für das Kommende, was es auch sein mag. Mein heilender Rücken juckt heftig. Vielleicht ist das der Grund für die Rastlosigkeit, die mich plagt. Ich habe das Gefühl, als sei ich auf einem Schiff, das sich unausweichlich einem unsichtbarem Ziel nähert. Es ist niemand da, der steuert und sich um die Segel kümmert; nur die dunklen Gezeiten und Strömungen tragen uns dem vorherbestimmten Ziel entgegen. Es ist kein angenehmes Gefühl, und es gibt wenig, was ich tun kann, um mich vorzubereiten.
Gerade als ich das letzte meiner Messer weglege, klopft es an der Tür. Mir wird sofort leichter ums Herz. Geht es Isabeau vielleicht besser? Als ich die Tür öffne, drückt mir ein Page ein versiegeltes Pergament in die Hand, macht eine knappe Verbeugung und huscht dann davon. Verwirrt schließe ich die Tür und drehe die Nachricht um. Das Wachssiegel ist schwarz, und die Handschrift ist die Sybellas. Ich reiße das Schreiben auf und lese das eilig hingeworfene, geschwungene Gekrakel.
Triff mich an der Stelle, an der wir uns das letzte Mal unterhalten haben, gegen Mittag.
S
Sofort erinnere ich mich an ihr ausgezehrtes, bleiches Gesicht, ihr hektisches, getriebenes Benehmen. Ist sie in Schwierigkeiten? Da wir fast Mittag haben, greife ich nach meinem Umhang und mache mich auf den Weg in den Ostturm.
Die Kirchenglocke schlägt Mittag, gerade als ich die Haupthalle im Palast betrete, und ich beschleunige meine Schritte und halte die Augen offen nach irgendwelchen Hinweisen auf Sybella, während ich auf den Ostturm zueile.
Oben an der breiten Treppe stoße ich fast mit Madame Dinan zusammen. »Madame«, sage ich, mache einen Knicks und verfluche mein Pech. Sie ist jedoch selbst in Eile und hält kaum inne, um mich zur Kenntnis zu nehmen. »Demoiselle Rienne. Die Herzogin hat mich gebeten, ihre Stickerei zu holen«, bemerkt sie im Vorbeigehen.
Ich runzle die Stirn. Sie hat ihr Tun mir gegenüber noch nie erklärt, und ich kann nicht ergründen, warum sie es jetzt tun sollte. »Schön«, erwidere ich, dann gehe ich weiter die Treppe hinunter.
Sie bleibt stehen. »Habt Ihr etwas für Duval zu erledigen?«, fragt sie.
Ich beschließe, dass diese Ausrede so gut ist wie jede andere. »Ja, Madame«, antworte ich und mache Anstalten weiterzugehen, aber sie spricht von Neuem.
»Wo ist Duval? Ich habe ihn den ganzen Tag nicht gesehen«, sagt die Frau, die mich den größten Teil meiner Zeit bei Hof ignoriert hat. Das ist der Moment, in dem ich begreife, dass sie versucht, mich aufzuhalten.
Ohne mir die Mühe zu machen zu antworten, drehe ich mich um und rase die Treppe hinunter, wobei ich gegen ein aufkeimendes Gefühl der Angst ankämpfe. Ich bin fast da; nur noch ein weiterer Flur. Als ich in den letzten Gang einbiege, höre ich eine Männerstimme, ein tiefes, schmeichelndes Dröhnen, das über meine Haut schlittert. D ’ Albret! Jeder Instinkt, den ich besitze, ist hellwach. Dann höre ich eine andere Stimme, die eines jungen Mädchens. Nicht Sybella.
Anne.
Nachdem ich meine Messer aus Ärmel und Strumpf gezogen habe, eile ich auf den Ort zu, von dem die Stimmen kamen, und Panik hämmert in meiner
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