Grave Mercy Die Novizin des Todes
Brust. Als ich um die letzte Ecke biege, sehe ich, dass die Herzogin sich an die Wand drückt und d ’ Albret über ihr aufragt. Eine seiner Hände liegt an der Wand und versperrt ihr die Flucht. Mit der anderen greift er nach ihren Röcken, während sie hektisch versucht, ihn wegzuschlagen.
Beim Anblick seiner schmutzigen Hände auf Anne explodiert Zorn in meinem Herzen, und ein roter Nebel erhebt sich vor mir. Ich muss ein Geräusch gemacht haben, denn d ’ Albret reißt den Kopf herum und flucht. Er nimmt die Hände von Anne weg, als habe er sich verbrannt. Die Herzogin sackt erleichtert an der Wand zusammen, ihr Gesicht so bleich wie der Tod.
Beim Anblick meiner Dolche weiten sich d ’ Albrets Augen, und er breitet die Arme weit aus, zum Zeichen, dass er keine Waffen hat. »Sind alle Mätressen Duvals bis an die Zähne bewaffnet?«
Ich lasse sein Gesicht keinen Moment aus den Augen. »Gewiss überrascht es Euch nicht, dass Duval es nicht mit zimperlichen Mädchen treibt.«
Sein Tonfall wird schmeichelnd. »Nun, Demoiselle, meine Verlobte und ich haben uns lediglich einen privaten Augenblick gegönnt. So überaus ungewöhnlich ist das gar nicht. Es gibt keinen Grund überzureagieren.«
»Ich bin nicht Eure Verlobte«, erklärt Anne ihm kalt. Ihr Gesicht ist blass, aber ihre Stimme ist stark und ruhig, und ich war noch nie stolzer auf sie. »Ich habe keine Erinnerung daran, diese Vereinbarung unterzeichnet zu haben, ich habe bereits sowohl an den Papst als auch ans Konzil geschrieben und um eine Annullierung gebeten.«
D ’ Alb ret dreht sich zurück zu Anne. Etwas Beängstigendes glitzert in seinen Augen. »Seid vorsichtig, kleine Herzogin, denn ich werde Euch nicht mehr viele Chancen geben, mich abzulehnen.«
»Ich werde Euch niemals heiraten.« Ihre Stimme ist leise und zornig.
Ich trete einen Schritt näher. »Ihr habt die Herzogin gehört. Sie hat Euch ihre Antwort gegeben. Jetzt lasst sie allein.«
Mit einem letzten wütenden Blick auf Anne richtet d ’ Albret seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. »Ihr begeht einen schweren Fehler.«
»Ach ja?« Ich komme noch näher, während ich verzweifelt nach dem Zeichen Mortains Ausschau halte. Gewiss zählt der Angriff auf die Herrscherin unseres Herzogtums als Hochverrat. Aber da ist kein Mal auf seiner Stirn, ebenso wenig auf seinem Hals über seinem pelzgefütterten Kragen. Vielleicht sind das nicht die Stellen, wo der Todesstoß erfolgen soll. Vielleicht hat Mortain die Absicht, dass er ausgeweidet wird wie ein Fisch.
Bevor ich es ganz durchdacht habe, strecke ich die Hand aus und lasse einen Hieb niedersausen, und sein scharlachrotes Wams teilt sich wie eine Wunde und entblößt seinen fetten weißen Bauch. Sein Leib ist bleich und bedeckt mit grobem schwarzem Haar, aber da ist kein Mal. Eine dünne rote Linie erscheint, wo die Spitze meines Messers sein Fleisch geritzt hat. Ungläubigkeit und Zorn verdüstern sein Gesicht, und in seinen Augen brennt etwas, das wie Wahnsinn aussieht. Er greift nach seinem Schwert, aber ich richte meinen Dolch auf seine Hand. »Das halte ich nicht für klug.«
Seine Augen werden schmal, und der lodernde Zorn in ihnen versengt förmlich meine Haut. »Dafür werdet ihr teuer bezahlen.« Die kalte Entschlossenheit in seiner Stimme ist irgendwie beängstigender als sein Zorn.
Schritte erklingen hinter uns, und d ’ Albret schaut auf. Da ich irgendeinen Trick befürchte, wende ich den Blick nicht von seinem Gesicht ab, aber meine Schultern jucken warnend. »Madame Dinan!«, ruft Anne aus, und ihre Stimme überschlägt sich vor Erleichterung.
Die Gouvernante ignoriert Anne und eilt auf d ’ Albret zu. »Was habt Ihr getan, Ihr dummes Mädchen?«, fragt sie mich.
»Ich habe unsere Herzogin beschützt. Was habt Ihr getan, Madame?« Unsere Blicke treffen sich, und sie weiß, dass ich sehen kann, wie grauenhaft ihr Verrat war. Die Herzogin nimmt die Anklage in meiner Stimme wahr und macht einen Schritt weg von ihrer Gouvernante. Ihre Züge sind starr vor Ungläubigkeit.
Ich bin außerstande, etwas gegen einen dieser Verräter zu unternehmen, und mein Temperament lodert auf. »Verschwindet.« Ich deute mit meinen Messern den Gang hinunter. »Alle beide.« Ich gebe mir keine Mühe, die Verachtung zu verbergen, die ich für sie empfinde.
»Aber die Herzogin …«, hebt Madame Dinan zu sprechen an, dann verliert sich ihre Stimme.
In diesem Moment kippt das Gleichgewicht der Macht. Ich habe sie bei einem schweren Verrat
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