Graveminder
hören konnte – und wahrscheinlich auch nicht hören wollte.
Sie rieb sich die Augen und entdeckte einen Rauchfaden, der sich auf der Straße vor ihr entlangschlängelte. Rebekkah ging einen Schritt darauf zu.
Byron trat hinter sie.
»Ich muss der Spur folgen«, flüsterte sie.
46. Kapitel
Byron folgte Rebekkah aus der Gasse hinaus und um die Ecke. Sie rannte beinahe. Entweder verblasste die Spur, der sie folgte, so schnell, dass sie sich beeilen musste, oder diese Spur war so deutlich, dass sie nicht zu zögern brauchte. Byron war sich nicht sicher, denn er sah nichts.
Sie gelangten an eine kleine Kreuzung, und Rebekkah trat auf die Straße, ohne nach rechts und links zu sehen. Byron packte sie am Arm.
»Wir müssen …«, murmelte sie.
»Uns vor allem nicht überfahren lassen«, unterbrach er sie. Ein Wagen fuhr vorüber, und er ließ sie los.
Als sie dieses Mal die Spur wieder aufnahm, rannte sie wirklich.
»Verdammt, Rebekkah!« Er fasste nach ihrer Hand, damit sie nicht vor ein Auto lief oder ihm entwischte.
Sie sagte nichts, schüttelte aber auch seine Hand nicht ab.
Während der nächsten zwanzig Minuten eilten sie schweigend nebeneinander her. Das einzige Geräusch war Rebekkahs leises Keuchen. Im Ladebereich eines kleinen Lebensmittelladens blieb sie schließlich stehen.
»Er ist hier.«
Sie sah sich auf dem Gelände um, äußerte sich aber nicht weiter.
Byron zog die Waffe und ließ den Blick über den Hof schweifen. Troy hätte sich ausgezeichnet hinter mehreren geparkten Wagen oder auch hinter zwei großen Müll- und Recyclingcontainern verstecken können. Ein schmaler Grasstreifen trennte den Ladebereich vom Fluss. Auf dem verwahrlosten Rasen standen ein Picknicktisch und ein rostiger Grill. Weiter unten befand sich noch ein Basketballkorb ohne Netz auf dem Gelände.
»Troy?«, rief Rebekkah leise. Sie ging auf die Container zu. Wieder lag dieser nichtmenschliche, silbrige Schimmer in ihren Augen, aber er machte Byron nicht mehr nervös. »Ich bin hier!«, rief sie.
Byron blieb mit der Pistole in der Hand neben ihr. Vorhin, als er sich zwischen sie und Daisha gestellt hatte, hatte er seinem Instinkt getraut, aber diese Situation fühlte sich anders an. Bei Troy witterte er eine Gefahr, die er bei Daisha so nicht gespürt hatte.
Neben den Containern blieb Rebekkah stehen. »Ich weiß, dass du kürzlich abends nach mir gesucht hast.«
Byron warf ihr einen Blick zu. »Wie bitte?«
Sie beachtete ihn nicht. »Aber jetzt bin ich hier. Darum geht’s dir doch, oder? Du brauchst mich. Du wolltest mich finden.«
Troy kam hinter dem Container hervor. Er sah nicht anders aus als beim letzten Mal, als Byron ihn im Gallagher’s getroffen hatte, und trug eins seiner Kopftücher, schwarze Jeans und ein zu enges schwarzes T-Shirt. Was allerdings fehlte, war jede Art von Bewusstheit in seinem Blick. Rebekkah und er waren einmal so eng befreundet gewesen, dass Byron eifersüchtig gewesen war, aber jetzt wiesen weder Troys Augen noch seine Körpersprache darauf hin, dass er einen von ihnen wiedererkannte. Er lächelte nicht und sagte auch keinen Ton.
»Ich kann das alles in Ordnung bringen, Troy.« In Rebekkahs Stimme lag dieser weiche, begütigende Ton, in dem man mit verängstigten Tieren sprach. »Vertrau mir einfach! Ich wusste nichts davon. Sonst hätte ich nicht zugelassen, dass das passiert.«
Troy starrte sie an. Seine Lippen verzogen sich zu einem lautlosen Knurren.
»Ich verstehe ja, dass du zornig bist, Troy, aber ich hatte keine Ahnung. Ich war noch nicht einmal hier angekommen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich gebe dir zu essen und zu trinken, Troy. Erinnerst du dich, wie oft du anderen zu essen und zu trinken gegeben hast? Erinnerst du dich, dass du mich bedient hast, wenn ich in die Bar gekommen bin?«
Der tote Mann blinzelte.
»Du erinnerst dich«, sagte sie leise. »Ich weiß nicht, wie lange du schon hungrig bist, aber ich kann dir trotzdem helfen … Lass dir von mir helfen!«
Er trat einen Schritt vor.
»So ist es richtig«, ermunterte sie ihn. »Komm zu mir!«
Er runzelte die Stirn.
»Komm schon!« Sie streckte die Hand aus. »Weißt du noch, als ich letztes Jahr zu Besuch hier war und wir nach Geschäftsschluss in der Bar getanzt haben? Amity hat sich so verrenkt, dass ich schon dachte, sie würde sich etwas zerren. Ich bin in Verbindung mit ihr geblieben. Hat sie dir davon erzählt?«
Troys Miene drückte keinerlei Erkennen aus, wie Rebekkah es sich
Weitere Kostenlose Bücher