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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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dran.«
    Ihre Worte richteten sich ebenso an sich selbst wie an Byron, denn sie spürte eine nagende Furcht, sie könnten ihr Ziel nicht erreichen. Vielleicht würde Troy sich nicht mehr kooperativ zeigen, oder das Tor wäre zu weit entfernt. Doch Byron war da. Er öffnete die Tür zum Lagerraum und schob den Schrank beiseite, hinter dem der Tunnel lag.
    Mit angespannter Miene nahm er Rebekkahs andere Hand. »Lass nicht los! Ganz gleich, was geschieht.«
    »Ich weiß.« Sie spürte den Atem der Toten auf ihrem Gesicht, hörte ihre Stimmen, die sie flüsternd zu Hause willkommen hießen, und wünschte sich, das alles würde sich nicht so real anfühlen.
    »Bek?« Byron trat vor sie. »Lass meine Hand dieses Mal nicht los!«
    Sie nickte. »Und seine auch nicht«, flüsterte sie.
    »Ganz ehrlich? Dann lass lieber ihn los als mich! Er ist angekommen, aber du …« Ein heulender Windstoß trug Byrons Worte davon.
    »Er soll nicht im Tunnel gefangen bleiben«, erklärte Rebekkah den wispernden Toten. »Ich lasse ihn nicht los.« Sie sah Byron an. »Wenn ich Troy loslasse, bleibt er wie die anderen im Tunnel stecken.«
    Byron zuckte zusammen. »Dann halt uns eben beide fest!«
    Rebekkah nickte. Sie schritt in den Tunnel hinein und hielt die Hände von Byron und Troy fest umklammert. Der Tote sprach nicht und schien nicht auf die Umgebung zu reagieren. Byron ging voran. Um sie herum atmete der Tunnel.
    »Geht es dir gut?«, fragte Byron.
    Sie war sich nicht sicher, ob er sie oder Troy meinte, aber es kam nicht darauf an. In diesem Tunnel, in diesem Augenblick war sie die Einzige, die ihm antworten konnte. »Es geht uns gut.«
    Während sie so dahingingen, erfüllte sie das Gefühl, dass alles richtig war, bis zum Bersten. Dazu war sie bestimmt – das musste sie tun, um ihre Rolle in der Ordnung der Dinge auszufüllen. Nachdem sie jahrelang das Gefühl gehabt hatte, dass jede Stadt, jeder Mann, jede Arbeitsstelle verkehrt waren, erkannte sie, dass dies hier absolut richtig war. Es lag nicht daran, dass San Diego oder die Werbeagentur, Lexington oder die Stelle als technische Autorin falsch gewesen wären. Sie waren nur einfach nicht genau das gewesen, was sie gesucht hatte. Hier in Claysville, wo sie Seite an Seite mit Byron die Toten zu Charles führte – das war richtig. Zerstreut fragte sie sich, ob es sich immer so anfühlte, seinen Platz in der Welt zu finden, so als höre man ein deutliches Klicken.
    Als sie sich dem Ende des Tunnels näherten, blieb sie stehen und holte tief Luft. Bisher hatte sie ihrem Instinkt vertraut, doch nun, so kurz vor dem Betreten des Totenlands, gerieten ihr Instinkt und ihre Sehnsucht in Konflikt. Sie hatte das Gefühl, auf einen Sirenengesang zu reagieren, und versuchte, ihre Füße, die eilig weitergehen wollten, still zu halten.
    Wäre die Verlockung noch so groß, wenn ich tot wäre?, fragte sie sich.
    Doch dann schob sie diese Gedanken beiseite und sah Troy an. »Komm weiter!«
    Zum ersten Mal, seit sie Troy auf der Straße gesehen hatte, erwiderte der Mensch, an den sie sich erinnerte, ihren Blick. Er sprach nicht, doch er versuchte sie auch nicht anzugreifen. Stattdessen wirkte er hoffnungsvoll.
    »Alles wird gut«, versicherte sie ihm.
    Sie spürte, wie Byrons Hand sich fester um die ihre legte, als sie das Totenland betraten. Dieses Mal gingen sie zusammen und brachten den Hungrigen Toten mit.
    »Wir sind da«, sagte Byron. »Jetzt …«
    Plötzlich schlang Troy die Arme um Rebekkah. Er schien zu zittern und sich an ihr festhalten zu wollen. Byron streckte die Hand aus, aber Rebekkah schüttelte den Kopf. Er machte ihr keine Angst.
    »Danke.« Troys Stimme klang rau, und sie wusste nicht, ob vom Nichtgebrauch oder vor Tränen.
    »Das ist meine Aufgabe – ich bringe die Toten nach Hause.«
    »Ich war mir nicht sicher, wo ich war. Ich bin gestorben, Bek.« Als ihm klar wurde, was er gesagt hatte, weiteten sich seine Augen. Er sah von ihr zu Byron und wieder zurück. »Ich bin tot.«
    »Ja«, sagte sie sanft. »Es tut mir leid.«
    »Ich habe keine Ahnung, warum ich gestorben bin.« Er runzelte die Stirn. »Ich war nicht tot, dann war ich es, und dann war ich weder tot noch lebendig. Ich musste dich finden.« Er sank auf die Knie. »Aber ich konnte nicht.«
    »Doch, das hast du getan«, erklärte ihm Rebekkah. »Du hast mich gefunden, und ich habe dich hergebracht. Es ist alles in Ordnung.«
    »Aber vorher …« Troy riss die Augen auf. »Da war ein Mädchen. Sie ist klein. Ich

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