Graveminder
offensichtlich erhoffte. Er tat jedoch einen Schritt nach vorn und nahm ihre Hand. Einen Moment lang glaubte Byron, es sei ihr gelungen, ihn anzulocken, glaubte, dass alles gut lief und in Ordnung käme.
Dann riss Troy sie an sich und zog ihren Arm an den Mund.
»Nein!« Byron stürzte nach vorn.
»Hör auf, Byron!«, mahnte Rebekkah. Sie klang gelassen. Byron sah sie genauer an. Sie hatte ihren Arm so weit in Troys Mund geschoben, dass seine Kiefer weit auseinandergedrückt wurden. Er hatte ihr den anderen Arm um die Taille gelegt und hob sie vom Boden hoch.
»Jetzt die Spritze! Rasch!« Ihre Stimme zitterte ein wenig.
Byron schob mit einer Hand die Waffe in den Holster und griff mit der anderen nach der Spritze. »Wohin?«
Jetzt war die Anspannung in ihrer Stimme deutlich wahrzunehmen. »Egal.«
In der Hoffnung, dass sie recht hatte, rammte Byron Troy die Nadel knapp unter dem Ohr in den Hals. Troy zeigte nicht die geringste Reaktion. Er starrte Rebekkah an, deren Arm immer noch in seinem Mund steckte, und blinzelte.
Dann lockerte er den Griff um ihre Taille, bis ihre Füße den Boden wieder berührten. Als Troy die Umklammerung löste, glitt seine Hand an ihrer Hüfte hinunter, und seine Arme hingen an den Flanken hinab. Währenddessen steckte Rebekkahs Arm immer noch in seinem Mund wie ein Knochen zwischen den Kiefern eines Hunds.
»Rebekkah?« Byron war sich nicht sicher, was er tun sollte, aber Troy schien sie nicht mehr verletzen zu wollen. Er wirkte fast wie erstarrt.
Rebekkah hob einen Fuß, hakte ihn um Troys Knie und verlagerte ihr Gewicht nach vorn, bis er stürzte. Er riss sie mit sich, und sie landete auf ihm. Immer noch befand sich ihr Arm in seinem Mund.
Sie wandte den Kopf und sah aus ihren seltsamen Silberaugen zu Byron auf. »Halt seinen Kiefer offen!«
Byron ging in die Hocke, legte die Hände um Troys Gesicht und drückte die Daumen in die Kiefergelenke des Toten. Dadurch öffneten sie sich nicht weiter, aber sie konnten auch nicht mehr zuschnappen.
Als Rebekkah den Arm herausgezogen hatte, entdeckte Byron blutunterlaufene Bissmale auf ihrer Haut.
Sie schien sie nicht zu bemerken, sondern stand auf und sah Troy an. »Er ist schon zu lange tot.«
»Du bist verletzt.« Byron hatte kein Verbandszeug dabei, nichts, womit er die Blutung stillen oder ihren Schmerz lindern konnte.
Sie beachtete ihn nicht. »Ich muss ihn zu Charles bringen.«
Der Tote folgte Rebekkah mit dem Blick, aber es lag absolut kein Erkennen darin. Er schien bei Bewusstsein zu sein – zumindest so weit, wie er es gewesen war, als sie ihn fanden –, rührte sich jedoch nicht. Müssten sie ihn zum Tunnel tragen?
Rebekkah nahm Troys Hände, doch er richtete sich in einer einzigen fließenden Bewegung auf und schwebte mehrere Zentimeter über der Erde. Sie verflocht die Finger mit den seinen.
Byron beobachtete, wie der Tote über den Boden glitt, als Rebekkah losging, und ihm lief es kalt über den Rücken. Er hatte schon geglaubt, im Land der Toten Verwirrendes erlebt zu haben, aber nun sah er ein, dass das Aufeinandertreffen von Kleidung aus verschiedenen Zeitaltern und die Aufhebung von Naturgesetzen längst nicht das Unnormalste waren, was er in dieser Woche zu sehen bekam.
Einige Schritte weiter blieb Rebekkah stehen.
Als ihm klar wurde, dass sie auf ihn wartete, überprüfte er rasch den Boden für den Fall, dass sie bei ihrem Besuch Spuren hinterlassen hatten. Als er sich vergewissert hatte, dass nichts auf ihre Anwesenheit hindeutete, trat er zu Rebekkah. »Dann auf zu Charlie!«, sagte er.
47. Kapitel
Nach ihrer wilden Jagd auf Troy legten sie den Weg zum Bestattungsinstitut gemächlicher, wenn auch nicht gerade langsam zurück. Der Druck, Troy ins Land der Toten bringen zu müssen, trieb Rebekkah zur Eile. Sie war sich nicht sicher, was Troy an sie band und wie es kam, dass er so mühelos über den Boden glitt, aber sie spürte, dass dieser Zustand nicht allzu lange andauern würde.
Rebekkah beschleunigte ihren Schritt. »Wir müssen uns beeilen, Byron.«
Byron murmelte etwas, das sie nicht hören konnte. Sie gingen durch die Stadt, wobei die Passanten sie bei ihrer Rückkehr genauso wenig wahrnahmen wie bei ihrer Suche nach Troy. Byron trat als Erster durch die Tür des Bestattungsinstituts und vergewisserte sich, dass dort niemand wartete, der ihr Vorankommen behindern konnte.
Troy glitt mit Rebekkah ins Haus und die Treppe hinunter.
»Fast geschafft«, flüsterte sie. »Wir sind ganz dicht
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