Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
Vom Netzwerk:
wenigen architektonischen Schnörkeln oder Schrullen. Beobachtungskameras hockten arrogant auf ihren Dächern, und verbunden waren sie durch markierte Trimmpfade, die je nach Länge und Schwierigkeit farblich gekennzeichnet waren. Neue Wagen standen auf den Parkplätzen. Junge Leute in konservativ-lässiger Kleidung spazierten über die Wege oder warteten auf Shuttlebusse des Konzerns. In der Mitte des Komplexes lag ein großer Sportplatz, der von der Belegschaft, ihren Gästen und Schnorrern aus der Umgebung für alle Arten von Aktivitäten genutzt wurde, vom Fußball mit Fünfermannschaften bis zu Krocketturnieren unter den Abteilungen.
    Das Softballmatch war nicht schwer zu finden. Arjun folgte einfach dem Gebrüll und dem Beifall. Als er am Spielfeld ankam, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass nur wenige Zuschauer da waren. Den Krach machten die Spieler selbst, die sich mit einer Energie und Heftigkeit gegenseitig anfeuerten, wie sie für Firmenangehörige anlässlich einer solchen organisierten Übung zur Verbesserung des Teamgeistes etwas seltsam war. Eine Mannschaft trug sogar gelbe Polohemden, auf deren Rückseite Go Sales! gedruckt war. Am Spielfeldrand war ein imposantes Büfett mit Softdrinks und Häppchen beladen, damit man hier nach dem Match leicht ins Gespräch kam. Trotz des Geschreis schien niemand das Spiel sehr ernst zu nehmen.
    Arjun entdeckte sie, eine zierliche junge Frau in grasfleckigen abgeschnittenen Jeans und einem ärmellosen schwarzen T-Shirt, auf dessen Vorderseite quer rüber iloveyou.vbs stand. Ihr braunes Haar war mit einem Tuch zusammengebunden, und vom Bizeps bis zum Handgelenk war ihr linker Arm mit einer kunstvoll tätowierten blauschwarzen Spirale bedeckt. Gegen die Khakihosen und Polohemden stach sie ab. Unsicher hob er eine Hand. Sie winkte ihn zu sich.
    »Arjun, hä? Chris. Schön, dass Sie’s geschafft haben. Wir liegen einen Punkt zurück.« Sie reichte ihm einen Aluminiumschläger. »Sie können als Nächster schlagen.«
    Weg von der Bank. Rein in die Mannschaft. Chris’ erstes Geschenk an ihn.
    An diesem Nachmittag staunte Arjun über sich selbst, wie er den Ball öfter traf als verfehlte und sitzgewohntes, gelb behemdetes Verkaufsvolk schnaufend und pustend ins Außenfeld trieb. Sein Erfolg milderte seine angeborene Verachtung für Softball, ein Spiel, das er im Grunde für eine Kricketversion für Unaufmerksame hielt, eine Art Schlagballspiel für Kinder ohne echte taktische Raffinesse. Natürlich behielt er diese Ansicht für sich; es machte Spaß, für sein Spiel beglückwünscht zu werden, vor allem von jemand so Ungewöhnlichem wie Christine Schnorr.
    Sie war nicht eigentlich hübsch, nicht mal uneigentlich, könnte man sagen. Ihr Gesicht war schief, als wäre es links heruntergerutscht, und ihr rechtes Auge wanderte ständig hin und her, wenn sie sprach, was ihrem Gesichtsausdruck etwas verblüffend Unentschlossenes gab, als konzentriere sie sich gleichzeitig auf ihn und irgendeinen Gegenstand in der Mitteldistanz. Mit ihren neunundzwanzig Jahren war sie älter als Arjun, und er hatte das Gefühl, dass sie mehr als er von der Welt gesehen hatte. Da Arjun relativ wenig von der Welt gesehen hatte, folgerte er, dass viele Menschen (besonders in einem reichen Land mit entwickelter Tourismusindustrie) statistisch dieser Kategorie zuzurechnen seien, wollte man den Ausdruck streng geografisch verstehen. Aber an ihrer Sicherheit war etwas, was nichts mit Reisen und geografischem Horizont zu tun hatte, eine verhaltene Energie, die daher zu kommen schien, dass sie Sachen wusste, die er nicht kannte. Das gefiel ihm.
    Christine arbeitete in der Firewall-Gruppe, und ihre bevorzugte Art sozialer Interaktion war das Verhör. Als sich das Match in Geplauder auflöste und man sich über das Büfett hermachte, begann sie ihn auszufragen. Hatte Arjun Geschwister? Wo genau in Indien? Welcher sozialen Schicht gehörten seiner Meinung nach seine Eltern an? Seine Antworten schienen eine befriedigende Konstellation aus Datenpunkten zu bilden, und sie nickte aufmunternd, als habe er eine Hypothese bestätigt oder in einer ungenannten Versuchsaufgabe Fortschritte gemacht. Dass er eigentlich gekommen war, um sie etwas zu fragen, nicht umgekehrt, schien sie gänzlich vergessen zu haben. Er holte tief Luft.
    »Ich mache mir ein wenig Sorgen, Christine.«
    »Chris. Aber warum denn?«
    »Oh, Verzeihung. Ich mache mir Sorgen, Chris. Diese Asperger-Störung. Ich …«
    »Handlung oder

Weitere Kostenlose Bücher