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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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Polizistenschnurrbart, eine spießige Metallbrille und eine von diesen klobigen Armbanduhren, die noch in acht Meilen Wassertiefe gehen und einem die Zeit auf der Venus anzeigen. Wahrscheinlich teilte er seine Freizeit zwischen dem Reparieren seines Bootes und dem Betrachten koprophiler Fotos von Cheerleadern auf.
    »Er ist ein Freund.«
    »Welche Art Freund?«
    »Na ja, halt ein Freund. Solche haben Sie doch auch, oder?«
    »Mir gefällt Ihr Verhalten nicht, Miss Schnorr. Ich frage noch einmal, welche Art Freund? Sind Sie zum Beispiel mit Mr. Mehta ausgegangen?«
    »Nein. Doch, ja. Wir sind ins Kino gegangen. Meistens habe ich ihm Fahrstunden gegeben.«
    »In Ihrem weißen Honda Civic.«
    »Genau.«
    »Haben Sie ihm jemals erlaubt, den Wagen zu fahren, wenn Sie nicht dabei waren?«
    »Nein.«
    »War er oft zu Gast in dem Haus, das Sie mit Ihrem – Ihrem Freund, Nicolai Peet – Pit…«
    »Petkanov.«
    »… Nicolai Petkanov bewohnen?«
    »Ein- oder zweimal.«
    »Hatten Sie bei irgendeiner dieser Gelegenheiten Geschlechtsverkehr mit Arjun Mehta?«
    »Was? Was für eine Frage ist das denn? Hören Sie zu, Mr. Dragnet, das geht Sie verdammt noch mal einen Dreck an.«
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das Fluchen unterließen, Miss Schnorr.«
    »Fluchen? Himmelherrgott, wo sind Sie den groß geworden? In der Sesamstraße?«
    »Und den Namen des Herrn nicht in den Schmutz ziehen würden. Und als einen Agenten des Federal Bureau of Investigation geht es mich sehr wohl was an. Hatten Sie Geschlechtsverkehr mit Arjun Mehta? Ja oder nein?«
    »Nein.«
    »Sind Sie sich da sicher?«
    »Ich habe nein gesagt, oder?«
    »Haben Sie oder Mr. Petkanov sich mit Mr. Mehta verschworen, absichtlich Informationssysteme zu beschädigen, indem Sie ein Computervirus geschaffen und verbreitet haben?«
    » Was?«
    Als ihr klar wurde, worauf der Ermittler hinauswollte, wurde es Chris schwindelig. Zu Beginn des Verhörs hatte sie gleicherweise Vertrauen und Verärgerung empfunden, wütend darüber, wie ihr Chef sie mit diesem »zwanglosen Gespräch« überfallen hatte, aber überzeugt, dass, ganz egal, was das Bureau auch wollte, sie nichts Falsches getan hatte. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Es sah so aus, als sei Arjun seit dem Tag nicht mehr zur Arbeit erschienen, an dem ihr Wagen verschwunden war. Jemand vom Virugenix-Personalbüro war zu seiner Wohnung gefahren, um mit ihm über die Räumung zu sprechen, und hatte entdeckt, dass die Tür nicht verschlossen und die Computerausrüstung zum größten Teil in Stücke geschlagen war. Die Polizei hatte ihn zunächst als vermisst registriert. Nachdem man die Wohnung durchsucht hatte, änderte die Polizei ihre Meinung. Jetzt führte sie ihn als Flüchtigen.
    Das Problem war Nic. Inzwischen war er schlicht ein stinknormaler Ingenieur, der Datenspeicher einrichtete und instand hielt, aber einstmals, in den prähistorischen Zeiten des Computerwesens vor dem Worldwide Web und den Dotcoms und allem Übrigen, war er zugegebenermaßen ein sehr böser Ostblockjunge gewesen. Als Hochschulstudent in Bulgarien hatte er ein Gerät namens Pravetz 82 zu benutzen gelernt, ein aus schamlos nachgebauten Apple-IIe-Komponenten bestehendes Massenprodukt der staatlichen Computergesellschaft. Er und seine Freunde von der Nationalen Mathematik-Hochschule in Sofia hatten herumgespielt und eine Menge unerlaubter Sachen angestellt, und als er mit seinen Eltern in die USA übergesiedelt war, hatte er weitergemacht und sich schließlich einen untergeordneten Platz in der amerikanischen Kriminalgeschichte als einer der ersten Kids erworben, die wegen Einbrüchen in Computersysteme angeklagt wurden. Das war alles lange her, aber man konnte sehen, wie die Gehirne dieser Leute arbeiteten. Was immer auch Arjun in seinem Apartment ausgeheckt haben mochte, sie waren der Meinung, sie und Nic hätten ihre Hände mit drin.
    »Miss Schnorr, Ihr Wagen ist doch gar nicht gestohlen worden, stimmt’s? Sie haben ihn Mehta gegeben, damit er sich der Justiz entziehen kann.«
    »Das ist nicht wahr. Falls Arjun es war, der den Wagen genommen hat, tat er es ohne mein Wissen. Und außerdem hat Nic ihn kein einziges Mal getroffen.«
    »Das werden wir von Mr. Petkanov schon rausbekommen. Nun, um auf diese so genannten Fahrstunden zurückzukommen …«

D er Kopf tat ihm weh, und er fühlte sich sehr müde. Manchmal meinte er sich übergeben zu müssen. Er wusste nicht genau, wie lange er jetzt schon lief. Er wusste nur, es war

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