Grayday
wichtig, weiterzugehen.
Scheinwerfer rasten mit heulenden Motoren auf dem Highway heran, so dass er blinzeln und mit einer Hand die Augen abschirmen musste. Einmal verlangsamte ein Wagen das Tempo, aber dann warf der Fahrer einen Blick auf ihn, änderte seinen Entschluss und hielt doch nicht an. Er sah ganz kurz das Gesicht des Mannes, dessen Mund ein schwarzes, entsetztes O bildete. Der Wagen spritzte Schotter und sauste davon.
Das klebrige Zeug war Blut.
Sein Mund war trocken. Die Tasche war schwer. Er konnte sich nicht erinnern, was drin war, und er wusste auch nicht, warum er sie den sandigen Rand dieser Straße entlangschleppte. Sie waren hinter ihm her. Sie waren hinter ihm her, und er musste nach Hause. Wo das Zuhause war, hätte er nicht genau sagen können. Irgendwo da vorn. Am Ende der Straße.
Eine Weile legte er sich in einen Straßengraben und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, war der Himmel hell, und die unsichtbare nächtliche Welt hatte sich hinter das mit Teer bespritzte gelbe Gras und eine Reihe verkrüppelter Nadelbäume zurückgezogen. Er versuchte sich aufzurichten und hatte das Gefühl, sein Kopf würde platzen. Er saß in einem Wust aus Einwickelpapieren und Bierdosen. Sein Gesicht war mit getrocknetem Blut verklebt.
Er ging weiter.
Jetzt fiel es ihm wieder ein: das Auto, das zeitlupenhafte Schlingern aus der Kurve. Nach Kanada hatte er gewollt. Amerika verlassen, bevor sie dahinter kamen. Das Taxi hatte ihn an der Ecke abgesetzt, und er hatte dagestanden, den Geräuschen des nächtlichen Vororts gelauscht und versucht, sich Gründe einfallen zu lassen, warum er seinen Plan nicht durchfuhren sollte. Welche Wahl hatte er? In Amerika hatte er nichts mehr verloren. Jeder Tag, den er blieb, brächte die Verfolger näher, und wenn sie ihn fänden, würden sie ihn nie wieder laufen lassen.
Er hatte überlegt, ob er ihr eine Nachricht hinterlassen sollte. Tut mir Leid. Furchtbar Leid. Eine weitere auf seiner Liste von Entschuldigungen. Schließlich nahm er sich vor, ihr aus Kanada zu schreiben. Er stellte sich vor, wie er vor einem Blockhaus an einem Tisch säße und ihr den Parkplatz beschriebe, wo er den kleinen Honda hatte stehen lassen, sauber gewaschen und versorgt, vielleicht mit einem Geschenk im Handschuhfach. Blumen würden welken. Vielleicht Pralinen. Mit einer Karte. Auf der Landkarte hatte es nach einer kurzen Fahrt ausgesehen. Viel weiter, als er bisher jemals gefahren war, und das erste Mal, dass er nachts gefahren war. Aber machbar.
liebe chris es gab keine andere möglichkeit es zu tun und die einzige möglichkeit war per auto und das einzige auto das ich fahren kann ist deines ich hoffe du hast nicht allzu große Unannehmlichkeiten dadurch – arjunm
Er hatte nicht damit gerechnet, dass er Benzin brauchte. Aber der Zeiger stand auf Rot, ein rotes Licht am Armaturenbrett leuchtete auf. Ständig vergaß Chris zu tanken. Nachdem er sich fünfundzwanzig Meilen nördlich der Stadt dreimal verfahren, zweimal beinahe Hecks gerammt und einmal fast einen überholenden Motorradfahrer über den Haufen gefahren hatte, spähte Arjun nervös in der Dunkelheit nach einer Tankstelle. Er bemerkte das Schild zu spät, hatte schon halb die Ausfahrt passiert, versuchte trotzdem noch abzubiegen, riss das Steuerrad zu hastig herum …
Und jetzt war er zu Fuß unterwegs. Er zählte seine Schritte in Hunderten, versuchte so Konzentration zu erlangen. Abseits, zwischen den Bäumen meinte er Wasser zu sehen. Er ging von der Straße herunter und stapfte darauf zu: Es war ein Teich, halb verdunstet, morastig und brackig, mit blauer Plastik und rostigen Eisenverkleidungen voll gerümpelt. Er zog sein Hemd aus, tauchte es in das schmutzige Wasser und säuberte sich damit Gesicht und Hände. Dann knüllte er es zusammen und schleuderte es hinaus in die Mitte, wo es seine Ärmel ausbreitete, als flehe es ihn an, es nicht an so einem Ort zurückzulassen.
Dreitausendzweihundert.
Dreitausenddreihundert.
Dreitausendvierhundert …
Er kam an eine Ausfahrt. Nahe der Rampe lag eine Tankstelle mitten in einer kleinen Ladenzeile zwischen einer Fast-food-Filiale und einem Geschäft, in dem Terrassenmöbel aus Holz verkauft wurden. So ungezwungen wie möglich schlenderte er über den Vorplatz in den Laden, wo er eine Tüte Chips, eine Flasche Sprite und ein paar Heftpflaster kaufte und die Angestellte um den Schlüssel für die Toilette bat. Kein Benzin? Er schüttelte den Kopf. Sie sah ihn
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