Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
nicht selbst in Gefahr zu bringen. Wer weiß schon,
ob Lewis nicht gezielt niedergeschossen wurde, da
mit Ihr die Sicherheit des Parlamentsgebäudes ver
lasst? Lewis möchte gewiss nicht für Euren Tod ver
antwortlich sein. Spielt denen nicht in die Hände,
Douglas. Später ist noch Zeit für Vergeltung. Ihr
müsst bleiben und verhindern, dass die Abgeordne
ten in Panik geraten und irgendeinen dummen Be
schluss fassen. Ihr müsst Eure Gefühle vorläufig zu
rückstellen. Ihr müsst dem Parlament ein Beispiel
geben. Ihr seid der König.«
»Was für ein König lässt seinen Freund im Stich?
Seinen … sterbenden Freund?«
»Ein König, der seine Pflicht kennt. Bitte, Doug
las. Ihr dürft nicht hinausgehen! Das ist genau, was
sie wollen, und Ihr wisst es. Falls sie Euch umbrin
gen, haben sie gesiegt. Und Lewis … wird vergebens
gestorben sein.«
Douglas drehte sich langsam um und blickte zu
rück zu seinem goldenen Thron. Und in diesem Au
genblick schien dieser ihm mehr eine Falle zu sein
als irgendwas sonst. Da er jedoch der König war und
ein Feldglöck und ein Mann, der immer gewusst hat
te, was seine Pflicht war, ging er langsam über das
Parkett zurück, stieg aufs Podium und nahm wieder
auf dem Thron Platz. Er blickte kalt und unnachgie
big über das Plenum hinweg und bemerkte nicht mal,
dass Jesamine verschwunden war. Er betrachtete die
Abgeordneten, und sie erwiderten seinen Blick und
warteten darauf, was er wohl unternahm. Douglas
wandte sich von ihnen ab und sah den Vertreter der
Esper an. Der junge Mann, der für die Überseele
sprach, stand auf und erwiderte den Blick des Königs.
»Wenn ich spreche«, sagte Douglas langsam,
»dann hört es die Überseele. Dann hört es Ihr alle,
nicht wahr?«
»Wir alle hören Euch«, antwortete der junge
Mann. Er sah nach nichts Besonderem aus. »Welche
Wünsche habt Ihr an die Esper-Gestalt, Eure Majes
tät?«
»Beendet den Aufruhr«, verlangte Douglas rund
weg.
»Tut dazu, was Ihr müsst. Was immer nötig ist.
Aber stoppt das Gemetzel.«
»Nein!«, rief Meerah Puri und sprang auf. Weitere
Abgeordnete folgten ihrem Beispiel. »Eure Majestät,
ich protestiere! Wir dürfen nicht Esper gegen Men
schen einsetzen!«
»Haltet die Klappe!«, verlangte Douglas. »Ihr hat
tet Eure Chance und habt nichts getan. Nichts, außer
zu zanken und zu streiten, während gute Männer und
Frauen starben. Ich habe getan, was nötig ist, und
eine Entscheidung getroffen, wo Ihr dazu unfähig
wart. Dazu ist ein Parlamentspräsident und König
schließlich da, nicht wahr?«
»Ihr hattet nicht das Recht, uns so festzulegen!«,
beschwerte sich Michel du Bois, und weitere verär
gerte Stimmen pflichteten ihm bei. Douglas lachte
ihnen ins Gesicht. Und dann meldete sich der EsperVertreter wieder zu Wort, und seine junge Stimme
durchdrang mühelos den Tumult.
»Es ist vollbracht«, verkündete er gelassen. »Die
Überseele hat Soldaten und Gravobarken direkt vor
dem Parlamentsgebäude in Stellung teleportiert. Te
lepathen beruhigen und lenken schon die Gehirne
derer, denen immer noch nach Kampf zumute ist. Es
ist vorbei, Eure Majestät.«
»Verdammt sollt Ihr sein, Douglas«, sagte Anne
leise. »Was habt Ihr getan?«
Als der Pöbel Emma Stahl von Lewis Todtsteltzer
trennte, verlor sie kurz die Orientierung, entdeckte
dann jedoch rasch ein weiteres bekanntes Gesicht
über einer Paragon-Rüstung und dem zugehörigen
Purpurmantel. Sie kämpfte sich einen Weg durchs
Gedränge frei, streckte dabei Männer und Frauen mit
irren Gesichtern und meist improvisierten Waffen
nieder und war dabei bemüht, sich nicht vom Irrsinn
des Pöbels anstecken zu lassen. Es wäre nur zu leicht
gewesen, dem Zorn nachzugeben, aus Rache zu töten
statt im Dienste der Gerechtigkeit, aber Emma Stahl
war ein Paragon, und Paragone taten das nicht. Sie
war in Unterzahl, verraten und umzingelt von durch
gedrehten Randalierern, die sie mit bloßen Händen
zerrissen hätten, wäre es ihnen nur möglich gewesen.
Trotzdem kämpfte Emma weiter mit kalter Berech
nung, tötete nur, wenn sie es nicht vermeiden konnte,
um selbst zu überleben. Derzeit konzentrierte sie sich
darauf, zu jemandem durchzudringen, dem sie ver
trauen konnte, ihr den Rücken freizuhalten. Der Pa
ragon, den sie entdeckt hatte, war jetzt direkt vor ihr,
wo er mit Geschicklichkeit und Präzision kämpfte
und dabei im Angesicht schlechtester Chancen tat
sächlich lächelte. Nicht, dass sie von ihm anderes
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