Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
verhindern, dass er zusammenzuckte
und sich abwandte. Douglas blickte sich im Plenum
um, und nirgendwo überwanden sich die Abgeordne
ten, seinen düsteren und gefährlichen Blick zu erwi
dern. Er lächelte kurz. »Gott verdamme Euch alle in
die Hölle«, sagte er ruhig. »Ihr alle zusammen seid
nicht einen der Paragone wehrt, die fielen, als sie
Euch verteidigten. Was ist aus dem Imperium ge
worden, aus uns, dass ein solcher Preis gezahlt wer
den musste? Wahnsinn regiert auf den Straßen, eine
Krankheit in der Seele, und ich fürchte, sie hat uns
infiziert. Macht Eure Kompromisse mit der Kirche
und den Neumenschen. Schützt Euch selbst. Ich kann
Euch nicht aufhalten. Aber ich brauche Euch dabei
auch nicht zuzusehen. Ich habe immer noch meinen
Stolz.«
Er wandte ihnen den Rücken zu und verließ das
Haus, ohne sich um das Geschrei zu kümmern, das
hinter ihm ausbrach. Draußen erwartete ihn Anne.
»Nachrichten von Lewis?«, fragte Douglas.
»Er wurde hergebracht«, antwortete Anne. »Sie
haben ihn auf die Krankenstation gebracht.« Douglas
machte sich auf den Weg den Flur entlang, und Anne
trottete neben ihm her. »Er steckt in einem Regenera
tionstank. Douglas … die Chancen stehen nicht gut.
Er wurde auf Kernschussweite von einem Disruptor
getroffen.«
»Aber er lebt noch?«
»Ja. Vorläufig.«
»Ich hätte ihm nie gestatten dürfen, allein dort hi
nauszugehen, Anne. Ich hätte mich auch von Euch
nicht daran hindern lassen dürfen.«
»Wärt Ihr gegangen, stecktet Ihr jetzt neben Lewis
in einem Regenerationstank. Falls wir Glück gehabt
hätten.«
»Ich habe ihn im Stich gelassen«, wandte Douglas
ein. »Er war immer für mich da, und ich habe ihn im
Stich gelassen.«
»Ihr habt richtig gehandelt, Douglas.«
»Was hat das damit zu tun? Unser Freund liegt im
Sterben!«
»Ich weiß. Ich weiß.«
Sie folgten gemeinsam dem Korridor, und die
Menschen blickten ihnen ins Gesicht und beeilten
sich, ihnen aus dem Weg zu gehen.
Lewis war so erstaunt wie alle anderen, als der De
ckel des Regenerationstanks aufklappte und er immer
noch am Leben war. Noch mehr erstaunte ihn zu se
hen, dass der Echsenmann Samstag gegangen war
und in diesem kalten und leeren Raum nur eine völ
lig verzweifelte Jesamine Blume auf ihn wartete. Sie
weinte, und die Schluchzer erschütterten ihren Kör
per richtig, während ihr Tränen über die Wangen
flossen. Als sie sah, wie er sich im Tank aufzurichten
versuchte, lief sie herbei, um ihm herauszuhelfen.
Seine Beine fühlten sich an, als gehörten sie jemand
anderem, und er musste sich gleich neben dem Tank
plötzlich setzen. Er tastete die Flanke ab, wo das
schartige Einschussloch gewesen war. Und Jesamine
warf die Arme um ihn und vergrub das Gesicht an
seiner Schulter. Gemeinsam saßen sie da und hielten
einander fest.
»Oh Gott, ich dachte, ich hätte dich verloren!«,
brachte Jesamine schließlich hervor, während sie das
Gesicht weiter an seine Schulter drückte. »Ich habe
gesehen, wie sie dich niederschossen, und ich hatte
das Gefühl, jemand hätte auch auf mich geschossen.
Ich bekam keine Luft mehr. Als man mir erzählte,
der Fremde würde dich herbringen, bin ich sofort
gekommen. Du hattest ein Loch in der Flanke, in das
meine Faust gepasst hätte. Du hast kaum noch geat
met. Ich war so sicher, dass ich dich verlieren wür
de!«
»Der Regenerationstank leistet gute Arbeit«, stell
te Lewis fest, das Gesicht in ihrem goldenen Haar
vergraben. Es roch gut. Es roch nach Leben und
Glück. »Aber mir ist trotzdem der Gedanke zuwider,
wie knapp es sicher gewesen ist. Nicht mal Regene
rationstanks können Wunder wirken. Aber ich durfte
einfach nicht sterben, Jes, und dich zurücklassen.
Nicht, nachdem ich dich endlich gefunden habe. Die
einzige Frau, die ich jemals geliebt habe.«
Sie lösten sich ein kleines Stück voneinander, da
mit jeder dem anderen in die Augen blicken konnte.
Jesamine sah fast hässlich aus, das Gesicht fleckig,
die Augen vom vielen Weinen verquollen. Lewis’
Züge wirkten irgendwie noch rauer, selbst nachdem
Blut und Hirngewebe abgewischt worden waren; es
schien, als hätte die Begegnung mit dem Tod jede
Leichtigkeit daraus gelöscht. Beide hielten sich so
fest an den Händen, dass ihnen die Knöchel weiß an
liefen.
»Meinst du das ernst?«, fragte Jesamine. »Du
liebst mich?«
»Von ganzem Herzen, Jes. Es ist falsch. Ich weiß,
dass es falsch ist, dass mir kein solcher Weg offen
steht. Aber es
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