Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
werden, falls sie es versuchte. Sie ist heu
te die größte Sensation des Imperiums. Wohin könn
te sie sich noch wenden? Falls sie bei dem bleibt,
was sie bislang tut, wiederholt sie sich nur, oder
schlimmer noch, vergeudet ihr Talent auf Rollen, die
ihrer unwürdig sind. Sobald man beruflich den Gip
felpunkt erreicht hat, bleibt nur noch der Weg nach
unten. Jesamines einzige Möglichkeit, noch sagen
hafter zu werden, besteht darin, die Kunst hinter sich
zu lassen und in die Politik zu gehen. Nichts ist mit
der Verherrlichung durch die Massen vergleichbar,
um den Geschmack der Macht über sie zu kosten.
Jesamine könnte natürlich als Abgeordnete ins Par
lament gehen, aber ich denke, sie würde das als
Schritt nach unten erachten. Aber Königin zu wer
den, Staatsoberhaupt über das größte Imperium, das
die Menschheit je erlebt hat …«
Douglas musterte seinen Vater sardonisch. »Wirst
du ihr die schlechten Nachrichten übermitteln, oder
ist das meine Aufgabe, sobald wir verheiratet sind?
Macht, du liebe Güte! Sie wird kreischen, dass die
Mauern einstürzen, sobald sie die Wahrheit erfährt.
Und Gott allein weiß, wie eine Opernsängerin krei
schen kann, wenn sie es wirklich ernst angeht.«
»Die Rollen von König und Königin werdet ihr
beide mit dem Parlament ausarbeiten müssen«, sagte
William. »Ich persönlich habe vor, wirklich im
wahrsten Sinn des Wortes in den Ruhestand zu treten
und gut versteckt zu sein, sobald die Explosion er
folgt. Jetzt wirf dich aber endlich in Schale, Douglas.
Gib dir Mühe! Jesamine Blume trifft bald ein, und du
möchtest doch einen guten ersten Eindruck machen,
nicht wahr?«
Hoch über der Stadt, draußen über Parade der End
losen, rasten Lewis Todtsteltzer und Finn Durandal
in ihren maßgefertigten Gravoschlitten lautlos dahin
– hinweg über die hell leuchtenden Türme, die durch
zierliche Brücken verbunden waren, über gewaltige
Kugeln und Pyramiden, die vor Licht schimmerten,
über Minarette und Monolithen, alles derzeit ge
schmückt von einer makellosen Schneeschicht. Die
Wettersatelliten des Planeten waren so programmiert,
dass sie die Stadt mit traditionellem Weihnachtswet
ter versorgten, um so die große Zeremonie zu ehren.
Alles wirkte recht hübsch mit diesem klaren weißen
Schnee unter der Sonne des späten Nachmittags, aber
Winterwetter machte überhaupt keinen Spaß mehr,
wenn man mit hohem Tempo hindurchfliegen muss
te. Schnee und Eis produzieren scharfen, wenn nicht
regelrecht bitteren Wind, und die eiskalte Luft schnitt
wie mit Messern in die Paragone, während sie auf
dem Weg zur Arena dahinbrausten. Lewis und Finn
duckten sich tief hinter die Energiefelder, die ihre
Schlitten an der Vorderseite schützten; beide waren
fest in ihre Umhänge gewickelt und zogen die Schul
tern hoch zum Schutz vor der Kälte, die an ihren
Knochen nagte. Sie hätten langsamer fliegen und es
sich damit leichter machen können, aber hier bestand
eine Notlage. Menschen steckten in Schwierigkeiten.
Und obwohl weder Finn noch Lewis es je eingestan
den hätten, nicht mal sich selbst gegenüber, wollte
keiner von ihnen der Erste sein, der nachgab.
Die Arena erhob sich direkt im Zentrum der Stadt,
wie sie es von jeher tat, ein riesiges Steinkolosseum,
das blutgetränkten Sand umrahmte. Man hatte das
Bauwerk in den beiden zurückliegenden Jahrhunder
ten mehrfach ausgebaut, aber nach wie vor gab es
eine lange Warteliste selbst für die billigsten Plätze,
und das Recht auf die beste Sicht wurde eifersüchtig
gehütet und nur innerhalb der Familie weitergege
ben. Alle Welt sah sich natürlich die Holosendungen
an, aber alle Welt wusste auch, dass es nicht das
Gleiche war, als persönlich vor Ort zu sein. Heutzu
tage kämpften hier nur noch Freiwillige, und jeder,
der Gladiator zu werden wünschte, musste sich ei
nem strengen psychologischen Test unterziehen, ehe
man ihm oder ihr Zutritt auf den blutigen Sand ge
währte. Das heutige hohe Niveau an medizinischer
Versorgung gewährleistete, dass nur sehr wenige
Gladiatoren tot in der Arena zurückblieben, aber
trotzdem ging es nach wie vor um Mut und Ehre und
Geschicklichkeit und darum, all das zum Vergnügen
der Masse zur Schau zu stellen. Die Arena war noch
nie populärer gewesen. Der Vorstand hatte ein be
sonderes Programm für Weihnachten und die Krö
nung aufgestellt, bei dem all die führenden Champi
ons auftraten, mehrere Teams für Paarringkämpfe
und eine gewaltige Ladung
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