Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
im
Kreis verdient.«
»Bist du deshalb so lange dabeigeblieben?«, woll
te Lewis wissen. »Um dir selbst immer aufs Neue zu
beweisen, dass du es verdient hast? Douglas, das be
zweifelt seit zwanzig Jahren niemand mehr.«
»Jesus, Lewis, hältst du mich wirklich für so
flach? Ich bin geblieben, weil ich endlich etwas ge
funden habe, was ich gut kann, und weil die Men
schen mich brauchten. Ich habe etwas bewirkt. Ich
konnte es täglich sehen – an den Menschen, die ich
gerettet habe, und den Schurken, die ich ausgeschal
tet habe. Und weil ich aus mir selbst etwas Besseres
gemacht habe, hoffte ich, andere zu inspirieren, dass
sie das Gleiche taten. Ich wollte ihnen zeigen, dass
wir alle Helden sein können. Wir alle können Para
gone sein.«
»Falls die Leute den Mumm hätten, für sich selbst
einzutreten, hätten sie nie Paragone gebraucht«, sagte
eine ruhige tiefe Stimme, und Douglas und Lewis
drehten sich scharf um, als der dritte Paragon von
Logres auf sie zugeschritten kam. Diener huschten
wie erschrockene Gänse davon, um ihm nicht in die
Quere zu kommen, aber Finn Durandal nahm ihre
Existenz nicht mal durch ein Blinzeln zur Kenntnis.
Finn nickte Douglas und Lewis zu, als er vor ihnen
stehen blieb und kurz lächelte. »Ich bin Paragon ge
worden, um die Scheiße aus üblen Gesellen zu prü
geln, und ich danke dem Herrgott täglich, dass wir
nie Knappheit an diesen Typen hatten. Drücke mir
ein Schwert in die Hand und zeige mir einen Dreck
sack, und ich möchte nirgendwoanders lieber sein.«
»Ja, aber du bist auch ein echt komischer Typ«,
sagte Lewis freundlich.
Finn Durandal war groß und von geschmeidiger
Kraft und bewegte sich mit nahezu unmenschlicher
Eleganz. Er hatte ein klassisch gut aussehendes Ge
sicht unter einer dichten Matte aus lockigen goldenen
Haaren – die, wie er freimütig gestand, nichts der
Natur verdankten – und verwandte viel Zeit darauf,
sich mit seinem Image zu befassen. Er verfügte über
Haltung und Eleganz, und in jedem denkbaren Raum
galten ihm die ersten Blicke. Es war ein kaltes und
kalkuliertes Charisma, aber darob nicht weniger wir
kungsvoll. Gemeinhin fanden die Menschen auf den
ersten Blick Gefallen an ihm, fühlten sich letztlich
aber mehr als nur ein bisschen unbehaglich, wenn sie
länger in seiner Gesellschaft waren. Er konnte sich
teuflisch charmant geben, aber sofern es nicht um
einen bezahlten öffentlichen Anlass ging, machte er
sich meist nicht die Mühe damit.
Mit seinen zweiundfünfzig Jahren war Finn Du
randal der älteste und bereits am längsten dienende
Paragon seit Gründung des Kreises. Im ganzen Impe
rium fühlten sich die Menschen sicherer, wenn sie
nur wussten, dass er nach wie vor im Einsatz war
und zwischen ihnen und finsteren Gesellen stand.
Natürlich waren die meisten dieser Menschen ihm
nie begegnet. Finns Lächeln war schmallippig, die
grauen Augen ruhig, und sein Holobild hing an der
Schlafzimmerwand so manches leicht zu beeindru
ckenden Teenagers. Seine Website war die umfang
reichste und am häufigsten benutzte aller Paragone;
er hatte einen eigenen Fanclub und war durch eine
Reihe präzise kalkulierter Lizenzgeschäfte sehr reich
geworden. Er konnte sich jederzeit zur Ruhe setzen,
sobald ihm der Sinn danach stand, aber alle Welt
wusste, dass er es nicht tun würde. Aktion und Aben
teuer waren sein Lebenselixier, und nie hatte man
gehört, dass er vor irgendeiner Gefahr, irgendeiner
miesen Chance zurückgeschreckt wäre. Er war der
größte Paragon aller Zeiten. (So hieß es auf seiner
Website, also musste es stimmen.)
Er war in allem, was er tat, der Beste, denn mit
weniger begnügte er sich nicht. Dabei half ihm, dass
er die besten Waffen hatte, die besten Ausbilder und
die besten Muskeln und Reflexe, die man für Geld
bekam. Finn überließ absolut nichts dem Zufall.
»Makellos herausgeputzt, wie immer, Finn«, stell
te Douglas fest. »Ich sehe mein Gesicht praktisch in
deinem Brustpanzer gespiegelt. Wieso kannst du ihm
nicht ähnlicher sehen, Lewis?«
»Weil ich mir keinen Butler leisten kann«, antwor
tete Lewis. »Verdammt, ich kann mich schon glück
lich schätzen, falls ich mich morgens daran erinnere,
die Schuhe zu polieren.«
»Du bist nur eifersüchtig auf meine Großartig
keit«, behauptete Finn. »Kläglicher Sterblicher.«
»Ich ziehe Bescheidenheit vor«, sagte Lewis.
»Und du hast ja so viel, was dich zu Bescheiden
heit nötigt«, sagte Finn.
»Mädchen, Mädchen …«, warf
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