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Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Titel: Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todtsteltzers Erbe
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Zoll- und Steuerbeamten. Sie
überlegte, welche Implikationen das hatte, entschied
dann aber, diesem Gedanken nicht weiter nachzu
hängen. Das erzeugte nur Unruhe. Sie drehte sich um
und half Freude dabei, aus dem Schlitten zu steigen,
und als sie sich wieder umwandte, stand ein Esper
direkt vor ihr. Emma weigerte sich schon aus Prinzip
zusammenzuzucken, aber ihr Herz brauchte doch
einen Augenblick, um sich wieder zu beruhigen. Der
Esper war eine große und fast unnatürlich dünne
Frau mit langem knochigem Gesicht und langen,
blonden, schwer zu bändigenden Haaren, die ihren
Kopf wie ein Heiligenschein umrahmten. Sie neigte
das Haupt leicht vor dem Ekstatiker – beinahe eine
Verbeugung, aber doch nicht ganz – und musterte
dann Emma kalt mit ihren ausgesprochen dunklen
Augen.
Emma erwiderte den Blick finster und spürte ein
Summen im Kopf, fast so sehr, wie sie es hörte – wie
ein Jucken ein Stück weit hinter den Augen, an dem
sie sich nicht kratzen konnte. Es wurde plötzlich
schlimmer, ein stechender Schmerz, der vom Zent
rum ihres Gehirns nach außen zuckte. Sie schwankte
auf den Beinen und legte eine Hand an den Kopf,
und dann öffnete sich ihr Verstand wie eine Blume
im Regen und breitete sich in alle Richtungen aus,
und von einigen dieser Richtungen hatte sie noch gar
nicht gewusst, dass sie überhaupt existierten. Anbli
cke und Klänge und Farben und Echos und so viel
mehr … Und einen Augenblick lang erhaschte Em
ma Stahl einen Eindruck von der tätigen Überseele:
ein komplexes Netz aus miteinander verwobenen
Gedanken, die schneller und klarer und tiefer zu
kommunizieren vermochten, als es mit bloßer Spra
che je möglich gewesen wäre. Eine Million bewusste
Lebewesen, die sich alle miteinander unterhielten,
ohne dass jemand überhört oder übertönt wurde, und
die dabei logische Muster und Gefühlsstrukturen von
unerträglicher Schönheit, von unmenschlicher Kom
plexität, von grenzenloser Produktivität bildeten. Die
Überseele – ein Ganzes, das viel größer war als die
Summe seiner Teile. Und dann stürzten die Schmer
zen zurück in Emmas Schädel und knallten die Türen
ihres Verstandes ins Schloss; ihr kurzer Eindruck
vom Himmel war vorbei, und seine Tore wurden ihr
vor der Nase zugeschlagen.
Emma stieß unwillkürlich ein lautes Seufzen aus
und betrachtete die Esperfrau vor ihr mit neuem
Blick.
»Warum habt Ihr mir das gezeigt? Und warum
habt Ihr mich wieder ausgeschlossen?«
»Ihr verfügt über das Espergen, Paragon.« Die
Stimme der Frau war kaum mehr als ein Flüstern, als
wäre sie es nicht gewohnt, laut zu sprechen, und es
fiel Emma schwer, sie zu verstehen. »Es liegt tief in
Eurem genetischen Erbe verborgen. Nicht stark ge
nug, um ohne umfassende Hilfestellung telepathische
Verbindungen aufrechtzuerhalten. Hätte die Verbin
dung fortbestanden, wärt Ihr ausgebrannt. Für im
mer. Ihr gehört nicht hierher. Obwohl Eure Nachfah
ren womöglich eines Tages hier einen Platz finden.
Wir sind schließlich die Zukunft der Menschheit. Ei
nes Tages werden wir wie Sonnen strahlen. Der
Owen hat es gesagt.«
»Ihr klingt allmählich ganz nach ihm«, knurrte
Emma und deutete mit einem Rucken des Hauptes
auf Freude. »Er ist ein Ekstatiker.«
»Ja«, sagte die Esperin. »Ich habe dieses Lächeln
gleich erkannt.« Sie blickte Freude an und runzelte
kurz die Stirn, und irgendetwas wurde zwischen ih
nen ausgetauscht. Die Esperfrau nickte widerstre
bend. »Sehr gut. Er erhält Zuflucht. Ihr müsst gehen,
Paragon.«
»Einfach so?« Emma hakte die Hände ostentativ
hinter den Waffengurt und bedachte die Esperfrau
mit so finsterer Miene, wie sie es hinbekam. »Ver
gesst es! Ich bin in Paragon-Geschäften hier. Ich
weiche nicht, ehe ich nicht ein paar Antworten erhal
ten habe. Warum bringt die Kirche auf einmal Eksta
tiker um? Was weiß dieser hier, das so verdammt
wichtig wäre? Und warum seid Ihr bereit, ihn zu be
schützen?«
»Die Welt ändert sich«, antwortete die Esperfrau,
Ton und Blick vollkommen ruhig. »Die Kirche
braucht Feinde, um ihren Mitgliedern einen Brenn
punkt zu bieten. Man gebe den Menschen jemanden,
den sie hassen können, und sie hören auf, eigenstän
dig zu denken. Man flöße ihnen genug Hass ein, und
sie stürzen sich auf schier jeden. Das solltet Ihr wis
sen, Paragon. Bald wird sich die Kirche gegen die
Esper wenden. Wir sind das nächste logische Ziel.
Wir sind zu vernünftig, um auf die Lügen und Verlo
ckungen der

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