Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Familie, hat eine prima Akte als einer der
Friedenshüter von Virimonde, und nichts an ihm
weist auch nur die Spur von einem Skandal auf. Viel
leicht ist er ein bisschen bedrückt und humorlos und
benötigt eine gründliche Schulung, ehe man ihn auf
Medienkameras loslassen kann, aber er ist solide,
zuverlässig und ein schlauer Kämpfer. Genau der,
den wir brauchen, damit er unseren Heimatplaneten
vor dem Imperium repräsentiert. Er kommt irgend
wann nächste Woche zu seiner Amtseinführung hier
her, gerade noch rechtzeitig für die königliche Hoch
zeit.«
»Warum erzählt Ihr mir das?«, fragte Anne. »Ich
habe nichts mit Paragonen zu tun.«
»Virimonde ist Eure Heimatwelt«, erklärte du
Bois mit einer Spur Strenge. »Ich dachte, Ihr interes
siertet Euch womöglich dafür. Besonders, da Ihr in
jüngster Zeit auf … Distanz zu unserem früheren Pa
ragon gegangen seid.«
»Ah«, sagte Anne und nickte einsichtig. »Das ist
es also. Letztlich läuft es immer auf Lewis hinaus,
den verflixten Kerl! Was ist Euch zu Ohren gekom
men, du Bois? Was glaubt Ihr zu wissen? Und was
bringt Euch auf die Idee, ich könnte einen Dreck dar
auf geben, was Ihr womöglich wisst, womöglich aber
auch nicht?«
Du Bois breitete die Arme zu einer mitteilsamen
Geste aus und bemühte sich, unschuldige Miene zu
machen. Er hatte keinen sonderlichen Erfolg dabei.
Schließlich war er Politiker. »Aller Welt innerhalb
und außerhalb des Hohen Hauses ist klar, dass Ihr
und der Todtsteltzer Euch nicht mehr so nahe steht
wie früher. Und seit der König auch die Mühe auf
sich genommen hat, sich öffentlich von seinem
Champion zu distanzieren, braucht man kein Genie
zu sein, um zu dem Schluss zu gelangen, dass etwas
Bedeutsames geschehen sein muss. Lewis … hat et
liche Schwächen des Urteilsvermögens gezeigt, seit
er Champion wurde. Er hat sich von seinen Freunden
getrennt und von denen, die gern seine Freunde ge
wesen wären. Hat sich durch sein Vorgehen beim
Aufstand der Neumenschen Schande gemacht. Und
vor allem hat er es nicht geschafft, der Champion zu
sein, den sich alle wünschten … Der Todtsteltzer ist
kein Ruhmesblatt für unseren Heimatplaneten mehr.«
»Habt Ihr ihm deshalb die finanzielle Unterstüt
zung entzogen?«, wollte Anne wissen.
»Er hatte kein Anrecht mehr auf diese Mittel. Sie
gehen jetzt an Stuart Lennox, der sie zweifellos viel
mehr … schätzen wird. Versteht mich nicht falsch,
Anne! Es schmerzt mich zu sehen, wie tief der Todt
steltzer gesunken ist, wirklich, aber er hat es sich
selbst zuzuschreiben.«
»Ich bin beschäftigt«, sagte Anne kalt. »Was wollt
Ihr von mir, du Bois?«
»Mir ist der Gedanke gekommen, dass Ihr als ei
ner der ältesten und engsten Freunde des Todtstelt
zers womöglich etwas Licht auf die Frage werfen
könnt, warum sich der liebe Lewis in jüngster Zeit so
verändert hat.«
»Er macht nur eine schlimme Zeit durch«, erklärte
Anne gelassen. »Das tun wir alle.«
»Aber falls Ihr etwas wisst … etwas Privates, Per
sönliches …«
»Dann bin ich klüger, als mit Euch darüber zu
sprechen. Bleibt Lewis fern, du Bois! So lautet mein
Rat an Euch. Begnügt Euch damit, Euren neuen Pa
ragon zu manipulieren. Solltet Ihr versuchen, Lewis
herumzuschubsen, wird er Euch sogar in seiner ge
genwärtigen Verfassung mit Haut und Haaren fres
sen.«
Michel du Bois erhob sich elegant und zeigte ein
professionell neutrales Gesicht, ganz ungerührt von
Annes harten Worten. »Wie ich sehe, ist jetzt nicht
der richtige Zeitpunkt, um diese Angelegenheiten zu
besprechen. Die Unterstützung, die Ihr Eurem
Freund schenkt, gereicht Euch wahrhaft zur Ehre,
Anne; ich fühle jedoch, dass ich meine Pflichten als
Vertreter Eures Heimatplaneten vernachlässigte,
warnte ich Euch nicht vor den Gefahren, die ein Ver
harren in dieser Haltung nach sich ziehen könnte.«
Anne lehnte sich zurück und lächelte böse. Sie war
stets dann am glücklichsten, wenn die Drohung offen
ausgesprochen war. »Gefahren, du Bois? Wie, was
könnt Ihr nur damit meinen? Ich bin mir keiner Ge
fahren bewusst.«
»Lewis befindet sich auf dem absteigenden Ast«,
erklärte du Bois rundweg. »Er wird stürzen, und er
wird bald stürzen. Jeder erkennt das. Es wäre eine
solche Schande, falls er seine Freunde mitreißen
würde! Besonders, wenn diese nicht mehr hätten tun
müssen, als die Hand eines neuen Freundes zu er
greifen.«
»Ihr hattet im ganzen Leben nie einen Freund, du
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