Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Schlafzimmers
und versuchte, etwas an ihrer zerzausten Frisur zu
richten. »Er ist der König. Wer kann schon sagen,
was der König weiß oder nicht weiß? Ich habe nur
zähe Sicherheitsprofis zur Verfügung; er hat Anne.
Ich denke aber nicht, dass es um uns geht, Lewis.
Einen öffentlichen Skandal wünscht er sich bestimmt
nicht. Sei es auch nur im Interesse seines Stolzes.
Sieh mal, geh doch nach nebenan und sieh dir die
Nachrichten an, ob sie dort schon etwas berichten.«
»Ich habe keinen Videoschirm«, sagte Lewis.
»Was, überhaupt keinen? In Ordnung, nächstes
Mal gehen wir zu mir, und zum Teufel mit den Prob
lemen! Ich lehne es rundweg ab, auf die Befriedi
gung der kleinen Bedürfnisse des Lebens zu verzich
ten. Es gibt Grenzen, Darling.«
»Also … wird es ein nächstes Mal geben?«, fragte
Lewis vorsichtig.
Jesamine schüttelte verärgert den Kopf, marschier
te zu Lewis hinüber und küsste ihn fest auf die Lip
pen. »Was denkst du denn, Lewis? Dass ich dich auf
meiner Liste abhake, nachdem ich dich erst mal hat
te? Wir haben eine dauerhafte Beziehung, Lewis;
gewöhne dich lieber daran. Manche Dinge sind ein
fach vorherbestimmt, Süßer.«
»Leider scheinen du und ich die einzigen Menschen
des ganzen verdammten Imperiums zu sein, die das
glauben«, sagte Lewis trocken. »Aber wir denken uns
etwas aus. Ich weiß, dass wir das schaffen.«
»Natürlich tun wir das, Darling!« Jesamine küsste
ihn erneut, strich kurz mit der Hand über seinen
Brustpanzer und ging zur Tür. Und dann blieb sie
stehen und warf ihm über die Schulter einen Blick
zu. »Sag mir: Kennst du eigentlich die Handlung von Macbeth?«
»Das ist nicht witzig, Jes«, antwortete Lewis kopf
schüttelnd und folgte ihr. »Überhaupt nicht witzig.«
Von hoch auf einem Dach blickte Finn Durandal auf
die Straßenkreuzung hinab und betrachtete aus, wie
er hoffte, sicherer Distanz eine Zeit lang das Video
fonhäuschen. Viele Leute waren unterwegs und gin
gen an dem Videofonhäuschen vorbei, ohne es eines
Blickes zu würdigen. Es stand mitten in einem inner
städtischen Einkaufsbezirk an einer gar nicht über
mäßig frequentierten Ecke, und alles wirkte recht
unschuldig; trotzdem war Finn nicht zufrieden. Man
durfte nicht den Hauch eines Risikos eingehen, wenn
man mit Elfen zu tun hatte. Sie hatten darauf bestan
den, persönlich mit ihm zu reden, ehe sie in seine In
trige zur Vernichtung der Paragone einwilligten, und
da keine der beiden Parteien töricht genug war, per
sönlich zu erscheinen, blieben damit nur die üblichen
Kommunikationswege, von denen öffentliche Video
fone noch am ehesten anonym blieben. Finn suchte
den Treffpunkt aus und die Elfen das spezielle Video
fonhäuschen, und beide einigten sich auf einen Zeit
punkt. Finn traf eine Stunde zuvor ein, nur für alle
Fälle, und hielt vom Dach Ausschau, das Kraftfeld
eingeschaltet, um vor Heckenschützen sicher zu sein.
Sämtliche Sensoren seines Gravoschlittens beharr
ten darauf, dass an dem Häuschen nicht manipuliert
worden war und auch niemand eine Sprengfalle in
stalliert hatte, aber Finn blieb trotzdem argwöhnisch.
Er hegte nicht den leisesten Zweifel daran, dass die
Elfen die möglichen Vorteile seines Plans zugunsten
des eher befriedigenden Vergnügens opfern würden,
einen entscheidenden Schlag gegen ihn zu führen.
Sie würden alles tun, um den Mann in die Finger zu
bekommen, der so viele von ihnen in der Arena exe
kutiert hatte. Finn hatte Verständnis dafür. Er war
heutzutage selbst ganz für Rache.
Der vereinbarte Zeitpunkt war schließlich da, und
Finn sah keinen guten Grund mehr zu zögern; er
wollte die Elfen auch nicht auf die Idee bringen, sie
könnten ihn einschüchtern. Und so stieg er in den
Gravoschlitten und stieß auf die Kreuzung hinab. Die
Menschen zerstreuten sich, um ihm Platz zu machen.
Er ignorierte sie alle, stieg aus dem schwebenden
Schlitten und betrat das Videofonhäuschen. Der Ap
parat klingelte sofort. Die Elfen hatten ihn also doch
im Auge behalten. Wahrscheinlich aus der Distanz,
durch die Augen eines Besessenen. Sinnlos, sich um
zublicken; es konnte jeder sein. Finn drückte auf die
Annahmetaste, und der Bildschirm vor ihm leuchtete
auf und zeigte das Gesicht eines Mannes, den er
überhaupt nicht kannte. Das bösartige, arrogante Lä
cheln und die großen starren Augen waren ihm je
doch vertraut genug.
»Hallo Finn. Ich sehe es so gern, wenn jemand
pünktlich ist! Wie gefällt Euch dieser
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