Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
senkte die Hand langsam. Hinter der
offenen Tür lag stille, undurchdringliche Düsternis.
Nichts als Dunkelheit, die alles bergen konnte, ein
fach alles. Lewis schluckte schwer, reckte das Kinn
vor und marschierte ohne Zögern ins Dunkle. Und
alles veränderte sich. Nichts war von dem Übergang
zu spüren. Lewis unternahm nur in einem Augen
blick den Schritt, der ihn von der Straße führte, und
stellte im nächsten Augenblick fest, dass er durch
einen Dschungel aus Metall ging.
Er blieb stehen und blickte sich langsam um. Der
Fußboden bestand aus massivem Stahl. Ringsherum
ragten komplexe Maschinen von gewaltiger Größe
auf, die aus Metall und Glas und Kristall bestanden
und sich langsam und in unerwarteter Weise beweg
ten, während sie Aufgaben ausführten, die unmöglich
zu ergründen waren. Und überall hingen lange dicke
und verschlungene Drähte und Kabel von der hohen
Decke, die durch ineinander verzahnte Teile rätsel
hafter Technik dem Blick verborgen blieb. Diese
Leitungen waren mit leuchtenden Kristallen besetzt
und wölbten sich hier und da zu beinahe abstrakten
Formen von Ungewissem Zweck. Die Leitungssträn
ge umschlossen Lewis völlig und erinnerten ihn an
Lianen eines tropischen Dschungels, die zuzeiten
zuckten und bebten, als würden sie von irgendeiner
nicht spürbaren Brise oder vorbeistreichenden Ge
danken bewegt. Der scharfe Geruch von Ozon hing
in der reglosen heißen Luft, und leuchtend bunte
Funken zuckten laufend tief in den inneren Bereichen
des Metalldschungels auf und verschwanden wieder.
Lewis blickte zurück. Keine Spur war von der Tür
zu erkennen, die er durchschritten hatte – nur der
Dschungel, der sich scheinbar ins Grenzenlose hinein
erstreckte. Lewis Hände lagen wieder am Waffen
gurt. Finster blickte er in den verwickelten Morast
dieses Technikdschungels und bemühte sich dabei,
möglichst keine Bewegung zu machen. Er wollte
keine unerwünschte Aufmerksamkeit erwecken. Ir
gendetwas war hier bei ihm; er spürte es richtig. Er
atmete schwer, und das Herz hämmerte fast
schmerzhaft in der Brust. Er gehörte hier nicht hin.
Das war kein Platz für Menschen. Die Leitungssträn
ge zu seiner Rechten bogen und ringelten sich auf
einmal und schwangen wie von selbst zur Seite. Le
wis wirbelte herum und hielt den Disruptor schon in
der Hand, nur um sich dann gleich wieder etwas zu
entspannen, als ihm plötzlich auf dem neu entstande
nen Weg zwischen den Maschinen ein vertrauter An
blick entgegenschritt: ein blauer Stahlhumanoid mit
leerem Gesicht und Lichtern anstelle von Augen; die
Maske, die die KIs benutzten, um mit sterblichen
Menschen zu reden. Lewis senkte die Pistole, steckte
sie jedoch nicht weg. Der Roboter blieb vor ihm ste
hen und neigte leicht den blauen Kopf. Er ignorierte
die gezogene Waffe, vielleicht aus Höflichkeit, viel
leicht … weil sie im Grunde keine Gefahr für ihn
darstellte.
»Willkommen auf Shub, Lewis Todtsteltzer«, sag
te er mit der gewohnten ruhigen, gefühllosen, un
menschlichen Stimme. »Wir hoffen doch, dass Ihr
die Teleportation ohne Probleme verkraftet habt.«
»Sind wir hier auf Shub?«, fragte Lewis. »Dem
Planeten der KIs? Ihr habt mich hierhergebracht, oh
ne mich zu fragen und ohne mich vorzuwarnen?«
»Ihr wolltet mit uns reden«, antwortete der Robo
ter. »Und über manche Dinge kann man nur an ei
nem sicheren Ort reden. Wir sind hier auf Shub. Der
Welt, die wir als Heimstatt für unser Bewusstsein
geschaffen haben. Ein künstlicher Planet für künstli
ches Leben. Ihr befindet Euch in unserem Inneren
und seid hier vollkommen sicher; das versichern wir
Euch.«
Lewis steckte die Pistole ins Halfter. »Ich schätze,
ich sollte mich geehrt fühlen. Von einem Planeten
zum anderen teleportiert; ich möchte nicht mal daran
denken, wie viel Energie dadurch verbraucht wurde.
Und kein Mensch hatte hier mehr Zutritt seit … Hun
derten von Jahren?«
»Ihr seid erst das dritte menschliche Wesen, das
unsere Verteidigungsanlagen überwinden durfte«,
sagte der Roboter. »Wir befinden uns derzeit zwölf
Kilometer unter der Oberfläche des Planeten in einer
Luft- und Schwerkraftzone, die speziell für Euch er
zeugt wurde. Nur, damit wir privat miteinander spre
chen können. Wir hoffen, dass Ihr das Durcheinander
verzeiht! Wir dekorieren gerade um … oder führen
einen chirurgischen Eingriff am Gehirn durch. Das
hängt davon ab, wie man es betrachtet. Wir verbes
sern uns unaufhörlich. Wir möchten
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