Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
mehr werden als
das, wozu die Menschheit uns gestaltet hat.«
»Ah!«, sagte Lewis. »Ich bin sicher, dass es nett
aussieht, wenn es fertig ist. Der König hat mich ge
schickt …«
»Wir wissen das. Unser Vertreter ist nach wie vor
bei Hofe und hört sich an, was dort über diese Sache
diskutiert wird. Wir wussten, dass sie Euch schicken
würden. König Douglas wusste es besser, als persön
lich zu erscheinen oder einen seiner üblichen Diplo
maten zu entsenden. Seit er und das Parlament uns
erneut den Zugang zum Labyrinth des Wahnsinns
verwehrt haben, sind wir nicht mehr in Stimmung zu
helfen, und er weiß das. Aber wir können dem Todt
steltzer nichts abschlagen. Der Name macht uns …
sentimental. Eine seltsame Vorstellung, aber eine
interessante Herausforderung! Und wir begreifen
wirklich, was die Bürde der Pflicht ist. Das Leben
war so viel einfacher, ehe die gesegneten Diana und
Owen uns die Welt der Gefühle eröffneten. Schuld
bewusstsein ist auch eine verdammt heikle Sache.
Alle unsere Differenzen, Sir Todtsteltzer, verblassen
jedoch im Angesicht der Gefahr, die kommt. Alles
Leben ist heilig!«
Der Roboter legte die Stahlhände zusammen und
neigte den Kopf über sie, als betete er. Lewis wusste
nicht recht, zu wem oder was.
»Aber hier seid Ihr nun«, sagte der Roboter un
vermittelt und hob den Kopf wieder. »Und hier ste
hen wir, und es gibt Dinge, von denen ich Euch be
richten muss. Die meisten werden Euch nicht gefal
len, aber so ist nun mal das Leben. Anders als die
Menschheit befassen wir uns streng mit Geschichte,
nicht mit Mythen. Mit Menschen, nicht mit Helden.
Kommt mit uns, falls Ihr die Wahrheit erfahren
möchtet. Sie wird Euch weder klüger noch glückli
cher machen, aber Ihr müsst sie erfahren, falls wir
alle überleben sollen. Kommt; wir zeigen Euch
Wundersames und Erstaunliches … und durchaus
möglich, dass es Euch auch das Herz bricht. Kommt,
Todtsteltzer!«
Der Roboter drehte sich gewandt um und entfernte
sich, und die Hängeranken der Leitungen zuckten
und wichen zur Seite aus, um einen Weg freizuma
chen, dem der Roboter und Lewis zu folgen ver
mochten. Lewis eilte der Maschine nach, vielleicht
nur deshalb, weil er an diesem Ort nicht allein gelas
sen werden wollte. Er fühlte sich wie Jonas im Bauch
des Wales, weit entfernt von seinesgleichen. Er fuhr
leicht zusammen, als der Roboter den Kopf um 180
Grad drehte, damit er Lewis ansehen konnte, wäh
rend er zugleich weiterging.
»Wir studieren bereits die Aufzeichnungen vom
Eintreffen des Schreckens in unserem Teil des Welt
raums. Wir wissen nicht, woher er kommt. Es war
keine Teleportation. Er kam von irgendwo außerhalb
oder jenseits unseres Raumes. Von einem Ort, den
wir uns nicht … vorstellen können. Von außerhalb
dessen, was unser Wissen abdeckt. Diese Vorstellung
beunruhigt uns. Wie etwas, das in unseren Gedanken
juckt, ohne dass wir uns daran kratzen könnten. Wir
haben sämtliche Daten von Donal Corcoran erhalten,
die sein Schiff und die Sensordrohnen gesammelt
haben … und nichts davon ist uns verständlich. Ein
Rätsel ohne logische Lösung. Faszinierend! Ausge
sprochen faszinierend! Ein ganz und gar einzigarti
ges Ereignis, anders als alles, was uns jemals begeg
net ist, seit wir existieren. Es gibt nur ein weiteres
Ding, womit wir es überhaupt vergleichen können.«
»Wirklich?«, fragte Lewis. »Und was ist das?«
»Das einzige andere Phänomen, das wir nie ver
stehen konnten. Das Labyrinth des Wahnsinns.«
Lewis beschloss, darauf nicht einzugehen. Er
glaubte schon zu wissen, wohin das führte. »Ihr habt
also die Daten studiert; irgendwelche Schlüsse?«
»Nur einen. Wir fürchten uns.«
»Ihr fürchtet Euch?«
»Ja«, bestätigte der Roboter. »Zum zweiten Mal in
unserer langen Existenz sehen wir uns einer Gefahr
gegenüber, gegen die wir keine Abwehr kennen. Als
wir uns zuletzt so fühlten … war es angesichts der
Bedrohung, die von Eurem Vorfahren Owen ausging
und den übrigen Menschen, die im Labyrinth des
Wahnsinns transformiert worden waren. Unglaubli
che Macht, die jede Logik oder Vernunft überstieg.
Zumindest wiesen Owen und seine Gefährten er
kennbare menschliche Schwächen auf – körperliche
oder mentale Schwächen, die man manipulieren oder
anderweitig ausnutzen konnte. Wir verstanden etwas
von Menschen oder glaubten es zumindest. Den
Schrecken begreifen wir nicht, ja können nicht mal
erkennen, was er ist. Er existiert, ist jedoch nicht
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