Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Helden zu spielen –
hätte mir Douglas nur gegeben, was mir zustand.
Was ich mir verdient hatte. Ich hätte Champion wer
den sollen! Dieses Amt stand mir von Rechts wegen
zu.«
»Und jetzt habt Ihr es«, stellte Anne fest.
»Oh, jetzt möchte ich es gar nicht mehr! Es ist zu
spät. Ich wünsche mir viel mehr, und ich werde es
mir holen. Ich werde mich als der absolut Beste be
weisen, den es gibt, und dies auf die einzige Art und
Weise tun, die von Belang ist: indem ich über alle
Welt hinwegtrample.«
»Warum sich mit dem Amt des Champions be
gnügen«, fragte Anne, »wenn man auch König sein
kann?«
»Genau meine Gedanken«, lächelte Finn. »Ihr
empfindet keinerlei Schuldgefühle, nicht wahr? Be
züglich dessen, was wir getan haben und was wir
noch planen?«
»Nein«, antwortete Anne. »Mein Leben lang habe
ich für andere gearbeitet und nichts erreicht. Jetzt
möchte ich etwas für mich selbst erreichen! Ich
möchte … zum Beispiel glücklich sein. Und mir ist
egal, was dazu nötig wird und was es kostet.«
»Nun ja!«, sagte Finn. »Wo wart Ihr nur mein
ganzes bisheriges Leben lang? Arbeitet mit mir zu
sammen, Anne, und ich verspreche Euch alles, was
Ihr Euch je gewünscht habt, alles, was Ihr je ge
braucht habt. Nicht weil ich Euer Freund wäre, son
dern weil es in meinem Interesse liegt. Ihr könnt Eu
re Träume leben, Anne; sogar die, über die Ihr nie
laut zu sprechen wagtet. Und ich werde nie über
Euch zu Gericht sitzen, denn es ist mir gleich. Und
nach einiger Zeit … werdet Ihr Eure Freunde gar
nicht mehr vermissen.«
»Freunde … werden überschätzt«, fand Anne. »Ihr
müsstet das wissen. Ich habe einige Nachforschun
gen über Euch angestellt, Finn. Euer Leben ist fast so
leer wie meins. Hattet Ihr nie Freunde? Geliebte?
Liebesverhältnisse?
Irgend jemanden, aus dem Ihr Euch wirklich etwas
gemacht habt?«
»Nein«, antwortete Finn. »Ich scheine dafür kein
Talent mitzubringen. Ich kenne zwar die Begriffe:
Liebe, Mitgefühl, Sorge … aber sie bedeuten mir
nichts. Ich denke nicht, dass ich zu solchen Gefühlen
fähig bin. Lange dachte ich, allen anderen ginge es
auch so, und sie würden, genau wie ich, nur so tun,
als empfänden sie derlei Dinge. Aber das ist nicht so;
und deshalb fällt es Menschen wie mir so leicht, sie
zu manipulieren. Deshalb werden wir auch alles nie
derreißen, Anne; denn falls wir nicht glücklich sein
können, warum sollten sie es sein dürfen?«
»Ihr könnt hervorragend mit Worten umgehen«,
sagte Anne.
»Ich hatte viel Zeit, über diese Fragen nachzuden
ken«, sagte Finn.
»Meine Freunde haben mir wehgetan«, sagte An
ne. »Weil sie sich nichts aus mir machten, mich nicht
zur Kenntnis nahmen. Wir lassen sie alle dafür be
zahlen, nicht wahr, Finn?«
»Was immer dafür nötig wird?«
»Was immer dafür nötig wird.«
»Oh, wir werden ja solchen Spaß haben!«, fand
Finn Durandal.
Lewis hatte nie zuvor selbst ein Sternenschiff gestoh
len, wohl aber schon die Erfahrung gemacht, dass es
nicht übermäßig schwierig war. Es war in seiner Zeit
als Paragon laufend passiert. Daher kannte er auch
alle Tricks, alle Wege an den Sicherheitsanlagen ei
nes Schiffes vorbei. (Zwar hätten Schiffseigner alle
möglichen Vorkehrungen dagegen treffen können,
aber meist machten sie sich nicht die Mühe, warf es
doch große Kosten auf. Besser ließ man Schiff und
Fracht stehlen und pochte dann auf die Versiche
rung.) Und so rechnete Lewis nicht mit Schwierig
keiten, als er und Jes zuversichtlich das RaumhafenTerminal betraten.
Am leichtesten war es, sich an den Sicherheitsleu
ten vorbeizumogeln. Lewis kannte sämtliche blinden
Flecken, sämtliche Schwachpunkte im System; jahre
lang hatte er versucht, sie beheben zu lassen. Er ver
mutete, dass sie mit Absicht bestehen blieben, damit
bestimmte kriminelle Elemente sie weiterhin für den
Schmuggel und andere Nummern benutzen konnten,
aber er hatte es nie beweisen können … denn er hatte
nie genug Zeit dafür gehabt. Wie er es Emma Stahl
bei ihrer Ankunft erläutert hatte: Man konnte nicht
Schweiß über Kleinigkeiten vergießen, wenn man
etwas erreichen wollte. Und jetzt war er selbst hier,
nutzte genau die Schlupflöcher, die er zu schließen
versucht hatte, und bewies damit, dass er die ganze
Zeit Recht gehabt hatte. Manchmal lag in seinem
Leben die Ironie so dick in der Luft, dass er beinahe
darauf kauen konnte.
Er und Jes schlugen sich richtig gut, bis sie die al
lerletzte
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