Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Kameras.
Brett Ohnesorg konnte mit knapper Not noch begrei
fen, warum Finn Durandal sich mit einer Verrückten
wie Rose Konstantin zusammentun wollte, aber er
war völlig verdutzt, warum Finn sie beide in das
prachtvolle, luxuriöse und ausgesprochen gesetzes
treue Büro des Komitees für Materiewandlung führ
te. Das Komitee und sein Personal beanspruchten das
komplette Gebäude, ein Hochhaus im allerbesten
Teil der Stadt. Die Eingangshalle, in die die drei so
gelassen hineinspazierten, beanspruchte das gesamte
Erdgeschoss. Männer und Frauen in ausgesprochen
schicken Anzügen und Kostümen schritten hier ziel
bewusst hin und her und strahlten Zuversicht und
strenge Entschlossenheit aus. Sie waren wichtig, und
sie wussten es. Finn marschierte gelassen über den
glänzenden Marmorboden hinweg, den Blick nach
vorn gerichtet, und die Anzüge und Kostüme wech
selten den Kurs, um ihm auszuweichen. Auch Rose
Konstantin räumten sie reichlich Ellbogenfreiheit
ein. Brett hielt sich eng an Finn und gab sich Mühe,
nicht aufzufallen.
Echte Kunstwerke hingen an den Wänden, und
Brett schätzte im Vorbeigehen mechanisch ihren
Wert ab, obwohl er wusste, dass er sie niemals würde
vom Fleck bewegen können. Sie überstiegen seine
Möglichkeiten bei weitem. Die Flötenmusik war
streng klassisch, und es roch wie auf einer Wiese im
Hochsommer. Brett gefiel das nicht. Er war in jeder
Hinsicht ein Stadtjunge. Es juckte ihn richtig in den
Fingern, etwas zu stehlen, nur aus Prinzip.
In den Empfangstisch im Zentrum der Eingangs
halle war mehr Lektronenkapazität eingebaut, als
mancher Raumhafen sein Eigen nannte. Die Emp
fangsdame dahinter war atemberaubend schön und
bar jeder erkennbaren Spur von Make-up, aber das
professionelle Lächeln, mit dem sie den dreien ent
gegensah, war so kalt wie ihr Blick. Brett wusste ein
fach, dass die Worte Nicht ohne Termin förmlich in
ihre Seele eingraviert waren. Finn blieb vor dem
Schalter stehen, nickte der Empfangsdame ganz un
beeindruckt zu und drehte sich zu Brett und Rose
um.
»Seht Ihr das Sofa dort drüben? Geht hinüber und
setzt Euch. Bleibt dort. Fasst nichts an, redet mit
niemandem. Und Rose: Bringt niemanden um!«
Brett ging rasch hinüber und setzte sich, froh dar
über, der Empfangsdame zu entkommen. Sie war
ganz der Typ, der eine Pistole unterm Tisch aufbe
wahrte und mehr Sicherheitsleute rufen konnte, als
manche weniger bedeutende Planeten aufzubieten
vermochten. Sie sah auch nach jemandem aus, der
sich von einem bloßen Paragon nicht beeindrucken
ließ, selbst wenn es der mächtige Finn Durandal war.
All das würde ein tränenreiches Ende finden, das
wusste Brett einfach. Rose nahm neben ihm Platz,
und er musste gegen den Drang ankämpfen, von ihr
wegzurücken. Aus solcher Nähe war ihre Präsenz
überwältigend, verführerisch und bedrohlich zu
gleich. Ihr blutrotes Leder knarrte sanft beim Atmen.
Brett achtete sorgfältig darauf, nicht ihre Brüste an
zusehen. Sie schlug plötzlich die Beine übereinander,
und er bekam beinahe einen Herzschlag.
»Was zum Teufel haben wir hier verloren?«, frag
te er drängend, achtete aber darauf, leise zu reden.
Das Reden trug zur Ablenkung bei. »Nur die ver
trauenswürdigsten und lobenswertesten Persönlich
keiten erhalten jemals die Einladung, dem Komitee
für Materiewandlung beizutreten. Menschen, die auf
Jahre im öffentlichen Dienst zurückblicken. Solide,
rechtschaffene Bürger, die schon so reich sind, dass
sie über jeden Versuch, sie zu bestechen, nur lachen
können. Nicht der naheliegendste Ort, könnte ich mir
denken, um nach potenziellen Verrätern zu suchen.«
Rose wandte den Kopf und sah ihn an. Brett be
mühte sich, ein Wimmern zu unterdrücken. »Ihr fühlt
Euch hier nicht wohl, nicht wahr?«, fragte sie gelas
sen.
»Verdammt, nein! Sie könnten hier kostenlos Ge
tränke und Schoßtanzen anbieten, und ich würde
mich trotzdem nicht wohl fühlen. Hier wimmelt es
dermaßen von hart arbeitenden, gesetzestreuen und
ehrenwerten Menschen, dass ich eine Gänsehaut
kriege! Ich gehöre hier nicht hin. Diese Leute und
ich, wir leben nicht mal in derselben Welt.«
»Ich weiß, was Ihr meint«, sagte Rose. »Wir ha
ben viel gemeinsam, Ihr und ich.«
Dieser Gedanke war für Brett so erschreckend,
dass er unvermittelt still wurde und sich ganz darauf
konzentrierte, mit welcher Technik Finn die Emp
fangsdame anging. Er war überrascht und aufs Neue
erschrocken, als Finn sich
Weitere Kostenlose Bücher