Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
wie gut die Rede dort aufgenommen wurde. In Krisenzeiten findet eine Obrigkeit nichts ergötzlicher, als alles an einem Sündenbock festzumachen. Finn stand hinter James und lächelte Douglas
offen an, als wüsste er, was dem König durch den
Kopf ging, und als wüsste er auch, dass es nicht von
Bedeutung war. Das Parlament würde dem Vorschlag zustimmen, und Douglas konnte weder als
Parlamentspräsident noch als König irgendetwas dagegen tun. Wenn er auch nur versuchte, sich dem
Beschluss entgegenzustellen, würden die Abgeordneten aktiv gegen ihn aufstehen.
Also blieb er zusammengesunken auf dem Thron
sitzen, lächelte und glotzte hohl und schwieg. Die
sorgsam aufgesetzte Maske des Desinteresses war
die einzige ihm verbliebene Waffe. Vorläufig.
Finn musterte Douglas sorgfältig und empfand ein
warmes Glühen im Herzen. Es freute ihn zu sehen,
wie tief sein alter Freund gesunken war. Wie es
schien, hatte die liebe Jesamine, als sie fortging,
gleich auch Douglas’ Eier mitgenommen. Jeder
Kampfgeist hatte ihn verlassen. Schon bald würde er
dermaßen niedergeschmettert sein, dass er dankbar
jede Chance ergriff und abdankte, und dann würde
James, öffentlichem Zuruf folgend, den Thron
besteigen. Und Finn würde über James regieren, bis
er auch ihn nicht mehr brauchte. Finn verbannte
Douglas aus seinen Gedanken und konzentrierte sich
auf das echte Problem. Er musste die Esper unterwerfen. Das war aus allen möglichen Gründen für
seine Pläne lebenswichtig. Die Esper waren einfach
zu mächtig und zu gefährlich, als dass er ihnen hätte
erlauben können, weiter frei herumzulaufen, und außerdem erwies sich sein ESP-Blocker womöglich als
nicht stark genug, um seinen Verstand zu schützen,
falls die Überseele ihn einmal direkt ins Visier nahm.
Also plante er einen Präventivschlag – weil es nötig
war, und weil er es konnte.
Er hatte Esper nie leiden können. Niemand durfte
das Recht haben, gefährlicher zu sein als er.
James’ sorgsam formulierte Rede erreichte ihren
triumphalen Höhepunkt und Abschluss, und das ganze Hohe Haus war auf den Beinen, und die riesige
Mehrheit der Abgeordneten spendete im Stehen Applaus. Ein paar Relikte blieben zwar hartnäckig still,
aber sie waren zu isoliert, um Schwierigkeiten zu
machen. James blickte sich um, lächelte schüchtern
und bekundete durch Nicken seine Dankbarkeit für
die geleistete Unterstützung. Finn gab ihm einen
mannhaften Gratulationsklaps auf die Schulter. Und
Douglas … wäre am liebsten aufgesprungen und hätte selbst eine Rede gehalten. Er selbst hatte nie einen
Text von Anne benötigt. Nicht wenn er etwas zu sagen hatte, das von Herzen kam. Er hätte Herzen und
Köpfe der Abgeordneten erreichen können, mit süßen Worten und starken Gefühlen um sie werben, sie
an die zahlreichen Verdienste der Esper um das Imperium erinnern und die Rechte und die Integrität des
Hohen Hauses verteidigen können … Aber er tat es
nicht, denn er wusste, dass es längst eine verlorene
Sache war. Hilflos im Angesicht des näher kommenden Schreckens brauchte das Hohe Haus irgendjemanden, gegen den es zurückschlagen konnte.
Es lag jetzt Monate zurück, dass Douglas’ Vater
William verhaftet worden war, und noch immer hatte
niemand mit ihm reden dürfen. Es gab nicht mal den
geringsten Hinweis, wann William vor Gericht gestellt werden sollte. Er blieb in Haus Feldglöck gefangen, wo einfach alles mit ihm passieren konnte.
Einfach alles. Also blieb Douglas nichts weiter übrig,
als schwach und besiegt und für niemanden riskant
zu erscheinen und sich zugleich in aller Heimlichkeit
hektisch um Informationen zu bemühen, was Finn
eigentlich im Schilde führte, und Munition zu sammeln, die er gegen ihn einsetzen konnte.
»Nun, James«, sagte Finn schließlich, nachdem
sich das Plenum ausreichend beruhigt hatte, um für
James’ Antrag zu stimmen. »Ich schätze, der nächste
Schritt liegt nun an mir. Da nichts Geringeres als die
Sicherheit des Imperiums in Gefahr schwebt, ist es
meine Pflicht als Imperialer Champion, den EsperAbschaum an die Kandare zu nehmen.«
Das Hohe Haus brüllte vor Begeisterung, ein hässliches Getöse der Gehässigkeit und Blutgier. Finn und
James blickten Douglas an, und er nickte widerstrebend.
»Tut, was Ihr tun müsst, Sir Champion«, sagte
Douglas müde. »Begebt Euch nach Neue Hoffnung
und macht dort den Willen des Parlaments deutlich.
Und Finn: viel Glück! Ihr werdet es brauchen.«
Finn
Weitere Kostenlose Bücher