Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
jetzt hier und dachte nach, hin und her gerissen
zwischen Ehrgeiz, Selbstschutz und familiärer Bindung. Finns Angebot war sowohl ein Lohn für seine
Loyalität als auch eine Erprobung dieser Loyalität,
das wusste Tel. Und Finn wiederum wusste, dass es
ihm klar war.
Armer Angelo, dachte Tel gelassen. Du konntest
nie etwas für dich behalten, das ich für mich haben
wollte, nicht wahr, kleiner Bruder? Die Frage lautet
nur: Möchte ich es? Politik ist eine Sache, Religion
eine ganz andere. Tel war nicht besonders religiös,
aber er sah ein, dass man aus der Militanten Kirche
bei richtiger Handhabung eine echte Machtbasis
formen konnte, ganz unabhängig vom Durandal. Tel
konnte so zu einer bedeutsamen Figur in der neuen
Ordnung werden. Und er brauchte dazu nur in die
Ermordung seines Bruders einzuwilligen, den er ohnehin nie besonders gemocht hatte. Es hätte eigentlich eine simple Entscheidung sein müssen, aber Tel
stellte ehrlich überrascht fest, dass dem nicht so war.
Er hatte sich immer für einen praktischen Menschen
gehalten, aber für diese Sache musste er eine Kaltblütigkeit an den Tag legen, die sogar für ihn neu
war. Und außerdem: Was sollte er nur Mutter sagen?
Michel du Bois, Abgeordneter von Virimonde, sah
Tel Markham beim Nachdenken zu und hing dabei
selbst kalten, dunklen, brutalen Überlegungen nach.
Er scherte sich von jeher einen Dreck um jedwede
Sache oder Gruppierung, obwohl er zu seiner Zeit
reichlich davon unterstützt hatte. Er stellte sich immer auf die Seite dessen, der gerade am mächtigsten
schien, und intrigierte insgeheim mit denen, die in
Zukunft mächtig zu werden versprachen, aber er war
dabei stets nur auf Vorteile für seinen Heimatplaneten bedacht. Virimonde war seine einzige Liebe und
die einzige, die er sich wünschte. Er würde Virimonde bis zum Letzten verteidigen – mit seinem Leben
und dem Leben so vieler armer, verdammter Idioten,
so wie er es für nötig hielt.
Du Bois dachte daran zurück, wie er vor der Parlamentssitzung in seinem winzigen Büro gesessen
und verblüfft und empört auf dem Bildschirm die
Nachrichten verfolgt hatte: In aller Stille und völlig
illegalerweise hatte man Materiewandlungsbomben
auf eine Umlaufbahn um Virimonde gebracht. Finn
Durandal benutzte das Komitee für Materiewandlung, um seine Gefühle deutlich zu machen. Entweder beugte sich Virimonde seinen Forderungen, verstieß den zum Gesetzlosen erklärten Lewis und den
gesamten Clan Todtsteltzer und leistete auch fürderhin allen Wünschen des Durandal Folge, oder …
man setzte die Maschinen zum ersten Mal seit ihrer
Erfindung als Kriegswaffen gegen einen bewohnten
Planeten ein. Ganz wie den Dunkelwüsten-Projektor aus alter Zeit. Virimonde verfügte natürlich über planetare Abwehranlagen, einige davon sehr alt und sehr
geheim und außerordentlich wirkungsvoll, aber nichts
davon hatte eine Hoffnung, die machtvollen Umwandlungsmaschinen aufzuhalten. Und so fiel es ein
weiteres Mal Michel du Bois zu, seine Heimatwelt zu
beschützen. Und dazu brauchte er Bundesgenossen
hier auf Logres – innerhalb oder außerhalb des Parlaments. Und Finn war ein Dummkopf, falls er glaubte,
er wäre der einzige Strippenzieher in der Stadt.
Besonders enttäuscht war du Bois von Stuart Lennox, Virimondes neuestem Paragon. Du Bois hatte
ihn nach Logres geholt und dabei den Hintergedanken gehabt, ihn zu seiner rechten Hand zu machen,
aber stattdessen verwandte der junge Dummkopf seine ganze Zeit darauf, Finn Durandal wie ein liebeskrankes Hündchen nachzulaufen, und war somit völlig nutzlos. Du Bois vermutete, dass er Lennox recht
einfach diskreditieren konnte, um Platz für einen
neuen Paragon zu schaffen … aber die harte Wahrheit lautete, dass niemand für eine solche Rolle bereitstand. Niemand war geeignet. Niemand, dem du
Bois trauen konnte, die Bedürfnisse Virimondes an
erste Stelle zu setzen. Also blieb es wie immer an
ihm hängen, das Nötige zu tun, abscheuliche und
praktische Maßnahmen zu ergreifen, um seinen Planeten zu beschützen. Du Bois lächelte leise. Er freute
sich richtig darauf.
Ruth Li, die Abgeordnete für Goldener Berg, trat
nach Meerah Puri ans Rednerpult. Sie war ein angespanntes, zitterndes kleines Bündel aus Bosheit und
Gehässigkeit und wusste genau, dass sie allein gegen
das Hohe Haus stand; und genau so hatte sie es gern.
Feinde halfen ihr dabei, die Reinheit ihrer Überzeugung zu wahren und sich auch darauf zu konzentrieren. Sie
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